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Gesetzesänderung zum Schutz von Kindern in Flüchtlingsunterkünften: "Halbherzig bis fahrlässig"

Archivmeldung vom 30.06.2017

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 30.06.2017 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott
Kinder sollen möglichst schnell politisch in die einzig wahre politische Richtung gebildet werden.
Kinder sollen möglichst schnell politisch in die einzig wahre politische Richtung gebildet werden.

Bild: Stephanie Hofschlaeger / pixelio.de

"Es war ein wichtiger Prüfstein für die Bundesregierung, wie ernst sie den Schutz aller in Deutschland lebenden Kindern nimmt und ob sie gelingende Integration wirklich schaffen kann - und will", kommentiert Bidjan Nashat, Programm-Vorstand von Save the Children Deutschland, eine Gesetzesänderung für besseren Schutz von Kindern und Frauen in Flüchtlingsunterkünften, die heute vom Bundestag verabschiedet wurde. "Die Änderung ist ein begrüßenswerter Anfang", so Nashat, "insgesamt aber leider unzureichend."

Seit anderthalb Jahren steht die Bundesregierung unter erhöhtem Druck, eine gravierende Gesetzeslücke zu schließen, die vielen geflüchteten Kindern einen denkbar schlechten Start in Deutschland beschert: "Es ist bisher dem Zufall überlassen gewesen, ob Kinder in den Unterkünften besonders geschützt werden oder nicht", erläutert Nashat. "Denn Länder und Betreiber wurden nicht einheitlich verpflichtet, umfassende Kinderschutz-Standards in Flüchtlingsunterkünften sicherzustellen."

Entsprechend groß ist bis heute die Gefahr von Gewalt und Missbrauch für Kinder. Eine aktuelle interne Risikoanalyse, die Save the Children in verschiedenen Unterkünften durchgeführt hat zeigt: In allen Standorten kam es zu Kindesmisshandlung und -Vernachlässigung sowie emotionalen und sexuellen Missbrauchsfällen. Diese Ergebnisse decken sich mit einer Studie von Unicef. Ein Viertel der befragen Mädchen und Jungen gab an, in ihrer Unterkunft Zeuge von Gewalt geworden zu sein, 10 Prozent sagten, sie seien selbst Opfer geworden. Etliche Kinder müssen Monate und Jahre in Sammelunterkünften ausharren.

Eine bundeseinheitliche Regelung wurde nun durch eine Änderung von Paragraf 44 im Asylgesetz verankert. "Der Vorschlag ist aber halbherzig statt hinreichend", so Nashat. Der schmale Zusatz besagt unter anderem: "Träger von Aufnahmeeinrichtungen sollen Konzepte zum Schutz von Minderjährigen sowie von Frauen vor Gewalt in diesen Einrichtungen entwickeln und anwenden." Der größte Mangel dieser Formulierung, so Nashat: "Sollen bedeutet auch juristisch nicht müssen - im Zweifel können Träger sogar ganz darum herum kommen, Schutzkonzepte zu entwickeln. Entsprechend sind auch keine Sanktionen vorgesehen, falls das nicht geschieht. Somit kann das Gesetz leicht zum Papiertiger und Kinderschutz weiterhin fatalerweise vernachlässigt werden."

Auch für Inhalt und Ausprägung der Konzepte gibt es keine ausreichenden Vorgaben. "Einige fundamentale Fragen bleiben offen", so Nashat. "Gibt es Standards, an denen sich Schutz-Maßnahmen hinsichtlich Räumlichkeiten, Personal oder Gesundheit messen lassen müssen? Werden unabhängige Beschwerde- und Monitoringstellen eingerichtet? Gibt es festgelegte Verfahrensweisen bei Verdachtsfällen? Warum sind weitere Gruppen mit besonderen Schutzbedarfen ausgeschlossen wie etwa Menschen mit Behinderungen? Alles in allem bleiben die Schutz-Anforderungen weiterhin hinter denen zurück, die ansonsten in Deutschland für Einrichtungen gelten, in denen Kinder oder andere besonders schutzbedürftige Menschen leben - insofern wird die Universalität von Kinderrechten hier weiterhin nicht ernst genommen."

Save the Children und weitere Nichtregierungsorganisationen hatten zudem im Rahmen einer Initiative des Familienministeriums ein halbes Jahr lang Mindeststandards zum Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften entwickelt. Sie sollten als Bezugsrahmen für angemessene und verpflichtende Konzepte zum Schutz von Kindern dienen. Im Gesetzentwurf finden sie jedoch kaum Berücksichtigung.

"Das ist enttäuschend", so Nashat. "Save the Children fordert eine Ausweitung des Gesetzes auf alle vulnerablen Gruppen und klare Monitoring- und Kontrollstrukturen, damit Missstände aufgedeckt und auf sie angemessen reagiert werden kann. Deutschland muss vor allem den Kindern, die vor Krieg, Gewalt und Perspektivlosigkeit zu uns fliehen und ein neues Leben aufbauen möchten, einen guten Start ermöglichen. Alles andere wäre fahrlässig."

Die Mindeststandards der Initiative "Schutz von Frauen und Kindern in Flüchtlingsunterkünften" zum Download: http://ots.de/X6Mxy

Quelle: Save the Children Deutschland e.V. (ots)

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