Altmaier kritisiert Umgang Adenauers mit NS-Verbrechern
Archivmeldung vom 30.06.2025
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Ex-Kanzleramtschef Peter Altmaier kritisiert den Umgang des früheren Kanzlers Konrad Adenauer (1949 bis 1963) mit der NS-Vergangenheit. "Adenauer hat sich als Kanzler so gut wie nie zu den dunklen Seiten der deutschen Geschichte geäußert", schreibt Altmaier in einem Gastbeitrag im "Spiegel". "Er wusste um den Wunsch der großen Mehrheit nach einem 'Schlussstrich' und dem Ende von Entnazifizierung und Aufarbeitung."
Altmaier präsentiert ein beklemmendes Bild: "Seit 1951 schafften es
frühere NSDAP-Mitglieder in beachtlicher Zahl wieder in Behörden- und
Beamtenstuben, konnten Nazi-Verbrecher unbehelligt von Justiz und
Öffentlichkeit ein Leben als anerkannte Mitglieder der
Nachkriegsgesellschaft führen. Zu viele sahen weg, alte Kameraden und
Komplizen halfen beim Verschleiern und Unterdrücken. Erst Mitte der
Sechzigerjahre gelang mit den Auschwitz-Prozessen ein Durchbruch."
Er
vermutet, Adenauer sei es darum gegangen, "die Zeitspanne, die ihm
verbleiben würde, für den Aufbau von Demokratie, Sicherheit und
Wohlstand zu nutzen und dafür alles auszublenden, was an persönlicher
Verfehlung und Verstrickung aus den Zeiten vor 1945 überkommen war".
Forderungen nach Aufarbeitung hätten lange "als unerhört und geradezu
skandalös" gegolten.
Der CDU-Politiker Altmaier zählte zu den
engsten Mitarbeitern von Kanzlerin Angela Merkel und war von 2013 bis
2018 Chef des Kanzleramts. Anlass des Gastbeitrags ist eine neue Studie
von Historikern zum Kanzleramt. Unter Adenauer hatten demnach bis zu 38
Prozent der höheren Beamten eine NSDAP-Vergangenheit. Altmaier schreibt
dazu: Adenauer und sein langjähriger Kanzleramtschef Hans Globke wollten
"eine gut funktionierende, loyale Beamtenschaft an der entscheidenden
Schaltstelle". Dabei habe Globke "im 'Dritten Reich' eine unrühmliche
Rolle bei der Formulierung und Kommentierung von Hitlers Rassenpolitik"
gespielt. Die personellen Kontinuitäten hätten noch bis in die Anfänge
der Kanzlerschaft Helmut Kohls gereicht, erst dann hätten "alle
Beteiligten und Belasteten das Pensionsalter erreicht".
Quelle: dts Nachrichtenagentur