Grüne wollen sichere Herkunftsstaaten auf den Prüfstand stellen

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Der Chef der deutschen Grünen-Delegation im Europäischen Parlament, Erik Marquardt, fordert die Bundesregierung nach dem jüngsten Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) dazu auf, die derzeit als sicher geltenden Herkunftsstaaten auf den Prüfstand zu stellen. "Es ist das Mindeste, was die Bundesregierung tun kann, das Urteil ernst zu nehmen und die aktuelle Liste der sicheren Herkunftsstaaten auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen", sagte er dem Nachrichtenmagazin Focus.
Der EuGH hatte in seinem Urteil die Hürden für die Einstufung von
Ländern als sogenannte "sichere Herkunftsstaaten" erhöht. Künftig müsse
die gesamte Bevölkerung eines sicheren Herkunftsstaates sicher sein, das
gelte auch für Minderheiten. "Würde die Bundesregierung das Urteil
ernst nehmen, müsste sie daraus Konsequenzen ziehen: Algerien, Marokko
und Tunesien können keine sicheren Herkunftsstaaten werden", so
Marquardt weiter. "Wer will denn bitte ernsthaft bestreiten, dass
Schwule und Lesben in diesen Ländern verfolgt werden und nicht sicher
leben?", fragte der Grünen-Politiker.
Der
menschenrechtspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Max
Lucks, nannte das EuGH-Urteil einen "Warnschuss für die
Bundesregierung". Er forderte: "Die Einstufung von Moldau und Georgien,
wo ganze Gebiete von Russland kontrolliert werden, muss nach diesem
EuGH-Urteil natürlich zurückgenommen werden."
Auch der
Migrationsrechtler und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft
Migrationsrecht beim Deutschen Anwaltsverein, Thomas Oberhäuser, warnte
die Bundesregierung davor, das EuGH-Urteil zu ignorieren. Er sieht eine
Anpassung der aktuellen Liste ebenfalls geboten: "Dass Georgien
beispielsweise weiterhin als sicherer Herkunftsstaat gilt, ist
angesichts der Unterdrückung der Opposition in dem Land nicht
begründbar", sagte er. Das Berliner Verwaltungsgericht äußerte in zwei
Eilbeschlüssen im März erhebliche Zweifel daran, dass Georgien als
sicher gelten kann.
Union und SPD haben sich indes im
Koalitionsvertrag darauf verständigt, Algerien, Marokko, Tunesien und
Indien als sicher einzustufen. Um nicht auf die Stimmen des Bundesrats
angewiesen zu sein, bestimmt Bundesinnenminister Alexander Dobrindt
(CSU) künftig sichere Herkunftsstaaten per Rechtsverordnung.
Quelle: dts Nachrichtenagentur