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Presserat dokumentiert Entscheidung zum Fall al-Masri

Archivmeldung vom 30.11.2007

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 30.11.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Aus der Berichterstattung der BILD-Zeitung vom 29.11.2007 ("Irre! Presserat rügt BILD wegen dieses Brandstifters") geht nicht hervor, weshalb der Deutsche Presserat - bereits im September - gegen BILD eine Rüge ausgesprochen hat.

Deshalb stellt der Presserat allen interessierten Lesern die komplette Entscheidung des Beschwerdeausschusses 1 vom 11.09.2007 nachfolgend zur Verfügung:

A. Zusammenfassung des Sachverhalts

BILD veröffentlicht in der Ausgabe vom 19.05.2007 unter der Überschrift "Warum lassen wir uns von so einem terrorisieren?" einen Artikel über Khaled al-Masri und seine gegenwärtige Situation. In der Überschrift wird die Frage gestellt: "Warum lassen wir uns von so einem terrorisieren?" Al-Masri wird weiter im Text als "irrer Deutsch-Libanese" und "Islamist" bezeichnet. Gleichzeitig wird die Behauptung aufgestellt, er sei ein "durchgeknallter Schläger", "Querulant" und "Brandstifter" und es wird gefragt, ob er auch ein "Lügner" sei. Seine Verschleppung wird als "Versehen" bezeichnet. Zudem wird die Aussage getroffen, er sei der "Verursacher des ganzen Chaos", und mitgeteilt, dass er sich zur Zeit in einer "Psychoklinik in Kaufbeuren" aufhalte.

Der Beschwerdeführer sieht durch die Darstellung die Menschenwürde und die Ehre al-Masris verletzt. Fakten würden als Halbwahrheiten dargestellt. Die Sorgfaltspflicht werde ignoriert und al-Masri vorverurteilt.

Die Rechtsabteilung des Axel Springer Verlags betont in ihrer Stellungnahme, dass der kritisierte Artikel wahrheitsgemäß über den Fall al-Masri berichte und sich angesichts der unstreitigen Tatsachen mit den wertenden Bezeichnungen im Rahmen zulässiger Meinungsäußerung bewege. Die Rechtsabteilung weist darauf hin, dass an dem Fall erhebliches öffentliches Interesse bestehe. Er sei aufgrund einer Verwechslung von der CIA verschleppt worden und es bestünde der Verdacht, dass deutsche Sicherheitsdienste davon wussten. An der Aufdeckung des Falles bestehe daher ein hohes Informationsinteresse.

Ein öffentliches Interesse werde aber zusätzlich auch durch die Person al-Masris selbst und sein politisches wie privates Verhalten ausgelöst. Unstreitig stehe fest, dass er während seiner Zeit im Libanon einer islamistischen bewaffneten Vereinigung angehört habe, die sich nach Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft dem militanten Islamismus verschrieben hatte. Zudem habe er in Deutschland seinen Kontakt zur islamistischen Moslemszene fortgesetzt. Er sei Kontaktperson zu bekannten Islamisten gewesen.

Zusammenfassend stellt die Rechtsabteilung fest, dass al-Masri CIA-Opfer einer Entführung sei. Bereits vor der Entführung habe er an bewaffneten Aktionen im Libanon teilgenommen und in Deutschland sei er vor der Entführung Kontaktmann zu einschlägig von Sicherheitsbehörden eingestuften Islamisten gewesen. Auch sei er vor der Entführung wegen Körperverletzung auffällig geworden. Daraus gehe hervor, dass nicht erst eine Traumatisierung durch seine Entführung ihn zu Gewalttätigkeiten veranlasst habe. Vielmehr habe er schon davor im Zusammenhang mit gewalttätigen Handlungen von sich Reden gemacht. Um nichts anderes gehe es in dem Beitrag von BILD. Einer monatelangen Berichterstattung in BILD über al-Masri sei die publizistisch berechtigte ergänzende Frage nach seinem Umfeld und seiner Person gefolgt. Aufgrund seiner Lebensgeschichte und seines aktiven Wirkens sowie seiner nachweislich dargelegten Bereitschaft zur Gewalt seien die in dem Artikel verwendeten Bewertungen gerechtfertigt. Dass sich angesichts seiner gesamten Lebensgeschichte auch die Frage seiner Glaubwürdigkeit stelle, sei ebenfalls durch die dargelegten Tatsachen offenkundig.

B. Erwägungen des Beschwerdeausschusses

I. Der Beschwerdeausschuss sieht in der Berichterstattung eine Verletzung des Persönlichkeitsrechtes von Khaled al-Masri. Der offenkundig psychisch erkrankte al-Masri wird in der Veröffentlichung als "irre" bezeichnet. In Richtlinie 8.4* des Pressekodex ist festgehalten, dass körperliche und psychische Erkrankungen oder Schäden grundsätzlich in die Geheimsphäre des Betroffenen fallen. Diese Norm hat die Redaktion bei der Berichterstattung nicht beachtet. Sie hat über einen Kranken, der möglicherweise durch die Entführung traumatisiert wurde, unter Missachtung dessen gesundheitlicher Situation in ehrverletzender Art und Weise berichtet. Al-Masri wird als "irre" bezeichnet und gleichzeitig wird in der Überschrift die Frage gestellt "Warum lassen wir uns von so einem terrorisieren?". Diese Art der Darstellung geht, gerade im Hinblick auf die Krankheit al-Masris, eindeutig zu weit. Sie ist unangemessen im Sinne der Ziffer 9** des Pressekodex und verletzt den Betreffenden in seiner Ehre.

II. Bei dieser Entscheidung verkannte der Beschwerdeausschuss nicht, dass ein hohes öffentliches Interesse an der Person al-Masris und seinem Verhalten besteht. In diesem Zusammenhang ist es unstrittig, dass BILD sich dann mit al-Masri und seinen Handlungen beschäftigen kann. Im Hinblick auf die behandlungsbedürftige Erkrankung des Betroffenen hätte die Berichterstattung im bewertenden Teil jedoch zurückhaltender erfolgen müssen.

C. Ergebnis

Der Beschwerdeausschuss erklärt die Beschwerde wegen eines Verstoßes gegen die Ziffern 8*** und 9 des Pressekodex für begründet. Er hält diesen Verstoß für so schwerwiegend, dass er gemäß § 12 Beschwerdeordnung die Maßnahme der Rüge wählt. Die Redaktion wird gebeten, die Rüge unter Beachtung des Grundsatzes, dass die Persönlichkeitsrechte Betroffener durch den Abdruck nicht erneut verletzt werden, gemäß Ziffer 16 Pressekodex in einer der nächsten Ausgaben von BILD zu veröffentlichen.

* Richtlinie 8.4 - Erkrankungen Körperliche und psychische Erkrankungen oder Schäden fallen grundsätzlich in die Geheimsphäre des Betroffenen. Mit Rücksicht auf ihn und seine Angehörigen soll die Presse in solchen Fällen auf Namensnennung und Bild verzichten und abwertende Bezeichnungen der Krankheit oder der Krankenanstalt, auch wenn sie im Volksmund anzutreffen sind, vermeiden. Auch Personen der Zeitgeschichte genießen über den Tod hinaus den Schutz vor diskriminierenden Enthüllungen.

** Ziffer 9 - Schutz der Ehre Es widerspricht journalistischer Ethik, mit unangemessenen Darstellungen in Wort und Bild Menschen in ihrer Ehre zu verletzen.

*** Ziffer 8 - Persönlichkeitsrechte Die Presse achtet das Privatleben und die Intimsphäre des Menschen. Berührt jedoch das private Verhalten öffentliche Interessen, so kann es im Einzelfall in der Presse erörtert werden. Dabei ist zu prüfen, ob durch eine Veröffentlichung Persönlichkeitsrechte Unbeteiligter verletzt werden. Die Presse achtet das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und gewährleistet den redaktionellen Datenschutz.

Quelle: Pressemitteilung Deutscher Presserat

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