Vorsorge hat auf breiter Front versagt
Archivmeldung vom 08.08.2008
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Freigeschaltet durch Oliver RandakDie Aussichten im Kampf gegen Aids bleiben düster: Der globale Seuchenzug des HI-Virus ist nicht zu stoppen, die Infektion bleibt auf absehbare Zeit unheilbar. Die Weltaidskonferenz widmete sich denn auch mehr den politischen, finanziellen und sozialen Aspekten der Epidemie und weniger den medizinischen.
Die Bilanz ist nicht immer ermutigend: Zwar hat sich die Zahl der
Infizierten, die lebensverlängernde Medikamente bekommen, in den
vergangenen sechs Jahren auf rund drei Millionen verzehnfacht. Das ist
aber immer noch nur rund ein Drittel der 9,7 Millionen Bedürftigen, wie
die Weltgesundheitsorganisation betont. Das Millenniumsziel, bis 2010
alle Bedürftigen weltweit zu versorgen, erscheint kaum noch erreichbar.
Zudem konstatieren führende Aids-Forscher, die Vorbeugung gegen Aids
habe bislang auf breiter Front versagt. Mehr als 90 Prozent der
gefährdeten Menschen weltweit würden von den wichtigsten
Präventionsprogrammen überhaupt nicht erreicht. Es gibt auch gute Nachrichten: Konferenzpräsident Pedro
Cahn kündigte an, dass drei neue Medikamente für die antiretrovirale
Behandlung Infizierter auf den Markt kommen würden. Und unbestreitbar
ist die Tatsache, dass HIV-Infizierte mit den teuren Medikamenten ein
relativ normales Leben führen können, ein enormer Erfolg. Aber es
fehlen noch die finanziellen Mittel, diese teure Behandlung allen
Patienten weltweit zugänglich zu machen. Zumal sich aktuell die Krise
der Energie- und Lebensmittelpreise in den Vordergrund gedrängt hat.
Neue Sorglosigkeit
Viele Experten warnten vor neuer Sorglosigkeit im Umgang mit Aids angesichts der Behandlungserfolge. Denn die Seuche ist erst besiegt, wenn es eines Tages einen Impfstoff gegen das Immunschwächevirus geben sollte. "Der Impfstoff ist aber weit und breit nicht in Sicht", mahnte ein Mitglied der deutschen Delegation. Viele Forscher wie der Chef des US-Instituts für Infektionskrankheiten, Anthony Fauci, halten es für fraglich, ob es ihn jemals geben wird. Deshalb ist die Weltgemeinschaft gezwungen, die Ausbreitung der weltweiten Epidemie mit den Mitteln zu bekämpfen, die zur Verfügung stehen. Von der Konferenz in Mexiko geht vor allem das Signal aus, dass alle Länder der Welt Aufklärung zulassen und betreiben müssen. Sie müssen die Diskriminierung und Stigmatisierung der sexuellen und gesellschaftlichen Minderheiten bekämpfen. Dazu dürfte etwa die Konferenz in Mexiko für Lateinamerika einen großen Beitrag geleistet haben, weil Themen wie Homosexualität und Infizierung durch Drogenspritzen, aber auch Gewalt gegen Frauen in aller Öffentlichkeit ausgebreitet wurden.
Druck auf den Vatikan wächst
Unterdessen dürfte auch der Druck auf den Vatikan weiter wachsen, seine ablehnende Haltung zu Kondomen zu ändern. Im katholischen Mexiko etwa werden zunehmend Frauen, die ihr Heimatdorf nie verlassen haben, von ihren Männern infiziert, die sich das Virus in größeren Städten geholt haben, wo sie arbeiten. Als ermutigend nahmen viele Teilnehmer die Botschaft eines Hindu-Führers aus Indien auf, das Wissen um die schützende Wirkung von Kondomen auch innerhalb der Religionsgemeinschaft zu fördern.
Fehlende
Kenntnisse und mangelnder Kondomgebrauch, aber auch verseuchte
Drogenspritzen sind wohl der Grund dafür, dass die Aidsepidemie in den
vergangenen Jahren in den Ländern Osteuropas und der ehemaligen
Sowjetunion erschreckend zugenommen hat. Der Exekutivdirektor des
Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Malaria und Tuberkulose, Michel
Kazatchkine, zeigte sich sehr besorgt über diese Entwicklung. Die
nächste Weltaidskonferenz findet 2010 in Wien statt und dürfte vor
allem Signale nach Osteuropa und in das Gebiet der früheren Sowjetunion
aussenden.