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Krank durch Spätfolgen des Zweiten Weltkriegs

Archivmeldung vom 23.07.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 23.07.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Noch ehe der Kampf verstummt ist, wagen sich hungrige Berliner, hier in Tempelhof, Manfred-von-Richthofen-Straße am späteren Platz der Luftbrücke vor dem Flughafengelände, aus den Kellern hervor, um gefallene Pferde zu zerlegen. Bild: Deutsches Bundesarchiv (German Federal Archive), Bild 183-R77871
Noch ehe der Kampf verstummt ist, wagen sich hungrige Berliner, hier in Tempelhof, Manfred-von-Richthofen-Straße am späteren Platz der Luftbrücke vor dem Flughafengelände, aus den Kellern hervor, um gefallene Pferde zu zerlegen. Bild: Deutsches Bundesarchiv (German Federal Archive), Bild 183-R77871

Noch heute leiden Menschen, die den Zweiten Weltkrieg miterlebt haben, an den späten Folgen von Bombenangriffen, Vergewaltigung, Vertreibung, Verlust von Angehörigen, Inhaftierung oder anderen Kriegshandlungen. Bei bis zu zwölf Prozent der über 60-Jährigen Deutschen fanden Wissenschaftler der Universitätsmedizin Leipzig Anzeichen einer „Posttraumatischen Belastungsstörung“. Besonders alarmierend: Derart traumatisierte Menschen haben den Untersuchungen zufolge ein mehrfach erhöhtes Risiko, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Rheuma und anderen körperlichen Leiden zu erkranken.

„Die Untersuchungen machen deutlich, dass der Krieg nicht mit einem Friedensschluss endet sondern noch Jahrzehnte in den Beteiligten nachwirkt“, kommentiert Dr. P. H. Heide Glaesmer, Mitarbeiterin der Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie am Universitätsklinikum Leipzig, die Ergebnisse. Die Gesundheitswissenschaftlerin hat hierzu an vier Studien federführend mitgewirkt und diese jetzt in ihrer Habilitationsschrift zusammengefasst. Mit ihrer Arbeit stellt Glaesmer das Ausmaß der psychischen und gesundheitlichen Kriegsfolgen in der deutschen Bevölkerung erstmals auf ein belegbares Zahlenfundament.

Zwischen 40 und 50 Prozent der heutigen Älteren berichten über mindestens ein traumatisches Ereignis, vor allem aus Kriegszeiten. Um die Konsequenzen dieser Erfahrungen in der älteren Bevölkerung zu erfassen, erhoben die Forscher der Universität Leipzig zwischen 2005 und 2008 gemeinsam mit Kollegen aus Greifswald und Zürich die Daten von über 8000 Menschen zwischen 14 und 93 Jahren. Darin zeigte sich, dass besonders die ältere Bevölkerung psychisch unter den Folgen eines Traumas leidet. Je nach Studie wiesen bis zu vier Prozent der über 60-Jährigen eine sogenannte Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) auf. Berücksichtigten die Forscher auch geringer ausgeprägte posttraumatische Symptome waren bis zu 12,2 Prozent der Älteren betroffen. Hochgerechnet entspricht dies zweieinhalb Millionen Menschen in Deutschland. In der Gruppe der 30- bis 59-Jährigen fanden sich Anteile von maximal 2,7 Prozent mit PTBS, beziehungsweise vier Prozent mit Anzeichen einer PTBS.

Patienten mit einer PTBS werden ungewollt – etwa in Albträumen – immer wieder mit dem Trauma konfrontiert. Sie versuchen, Gedanken, Orte und Aktivitäten zu vermeiden, die mit dem Erlebten zusammenhängen. Auch Depressionen, Schlafstörungen, Schreckhaftigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, sozialer Rückzug und andere psychische Störungen können Folgen der Kriegstraumen sein.

Doch die schrecklichen Erfahrungen wirken sich nicht nur auf die psychische Gesundheit aus: Wer ein Trauma erlebt hatte, litt den Untersuchungen zufolge auch häufiger an körperlichen Erkrankungen. Die Traumatisierten waren von sämtlichen erfassten Krankheiten häufiger betroffen als Nicht-Traumatisierte. Erkrankungen der Herzkranzgefäße, Bronchitis und Schlaganfälle etwa kamen bei ihnen drei Mal häufiger vor. 

„Die Tragweite der Forschungsergebnisse wird deutlich, wenn man bedenkt, dass die damalige Kriegsgeneration jetzt in die medizinisch und pflegerisch intensive Lebensphase kommt“, sagt Dr. Glaesmer. Die öffentliche Auseinandersetzung mit den psychosozialen Folgen der Traumatisierungen des Zweiten Weltkrieges habe lange Zeit als ein Tabu gegolten. „Seit einigen Jahren scheint es möglich, sich unter Anerkennung der Unvergleichlichkeit des Holocausts auch mit den Folgen der Kriegstraumata für die deutsche Bevölkerung zu beschäftigen“, schreibt Heide Glaesmer in ihrer Arbeit.

Quelle: Universitätsklinikum Leipzig AöR

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