Stress wirkt sich auf kleinster Zellebene aus
Archivmeldung vom 26.07.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 26.07.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittIn den Zellen ist die Boten-RNA dafür zuständig, die Bauanleitung für die einzelnen Proteine von der DNA im Zellkern zu den Ribosomen ins Zytoplasma zu transportieren, wo die Proteinsynthese stattfindet. Auf dem Weg vom Zellkern ins Zytoplasma kann die Boten-RNA durch sehr kleine RNA-Moleküle, sogenannte microRNAs, gebunden werden mit der Folge, dass die Proteinsynthese verhindert wird.
"Wir haben bisher geglaubt, dass die Boten-RNA praktisch komplett ausgeschaltet wird und sozusagen stirbt, wenn microRNAs an sie bindet", erläutert Prof. Dr. med. Ellen Closs vom Institut für Pharmakologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Die Mainzer Zellforscher haben nun zusammen mit Kollegen aus Basel herausgefunden, dass dieser Prozess wider Erwarten umkehrbar ist und die Boten-RNA beispielsweise unter Stress wieder freigesetzt wird. Die Forschungsergebnisse wurden in der renommierten Fachzeitschrift Cell publiziert (Cell 125, 1111-1124, 2006).
Vor einigen Jahren haben Zellbiologen 
entdeckt, dass jede Zelle microRNAs enthält, die vermutlich zur Feinregulierung 
beispielsweise von Wachstumsprozessen dienen. "Die microRNA entscheidet, ob 
Boten-RNA tatsächlich in Proteine umgebaut wird", erklärt Closs. Die kleinen 
micro-RNA-Moleküle mit einer Länge von etwa 22 Basenpaaren agieren üblicherweise 
in "negativer" Form: sie docken an einer bestimmten Stelle der Boten-RNA an und 
verhindern dadurch den Translationsprozess, bei dem an den Ribosomen die 
Boten-RNA abgelesen und entsprechend dem genetischen Code die Proteine 
synthetisiert werden. Eine microRNA kann die Translation von zahlreichen - 
manchmal über 100 - Boten-RNAs unterdrücken und eine einzige Boten-RNA kann von 
mehreren micro-RNAs reguliert werden. Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass 
ungefähr ein Drittel der menschlichen Gene der Steuerung durch microRNAs 
unterliegt - ein erstaunlich hoher Anteil. 
Was aber passiert mit der 
Boten-RNA, wenn sie "ausgeschaltet" wird? Nach bisherigen Erkenntnissen erfolgt 
ihre Stilllegung in einem bestimmten Bereich des Zytoplasmas, der als P-Body 
bezeichnet wird. In den P-Bodies - sie wurden vor drei Jahren entdeckt - wird 
nicht nur Boten-RNA abgebaut, um die Einzelteile später für den Aufbau von neuer 
Boten-RNA verfügbar zu haben, sondern Boten-RNA wird hier für die spätere 
Proteinsynthese auch zwischengelagert. Wie die Forschergruppen um Closs und 
Witold Filipowicz vom Friedrich Miescher Institute for Biomedical Research 
herausgefunden haben, sind die P-Bodies nicht Endstation für Boten-RNA, sondern 
im Gegenteil kann Boten-RNA aus einem P-Body wieder zur "aktiven 
Translationsgruppe" zurückkehren, wenn ein entsprechender Stimulus ergeht. 
Die Untersuchungen dazu erfolgten anhand einer Boten-RNA, die für den 
Aminosäuretransporter CAT-1 kodiert, also die Struktur für den Aufbau dieses 
Transporters übermittelt. Diese Boten-RNA (CAT-1 mRNA) wird durch die microRNA 
miR-122 gesteuert. Die Autoren der Studie fanden heraus, dass die unterdrückte 
CAT-1 mRNA in P-Bodies gespeichert wird, unter Aminosäuremangel oder oxidativem 
Stress jedoch wieder entweichen kann. "Das ist eine völlig neue Erkenntnis: 
microRNA kann die Boten-RNA auch wieder loslassen", so die Mainzer Forscherin 
Ellen Closs. "Es gibt also einen Mechanismus, der in der Zelle vorliegt und 
unter bestimmten Situationen wieder reaktiviert werden kann. Das macht die 
gesamte Regulation durch microRNAs noch interessanter." Sie schließt dabei nicht 
aus, dass der entdeckte Prozess nicht nur für die CAT-1-Boten-RNA gilt und damit 
für die Steuerung des Transports der Aminosäure Arginin in die Leber- bzw. 
andere Körperzellen verantwortlich ist. "Vermutlich gilt der von uns entdeckte 
Ablauf auch für andere Boten-RNAs", so Closs. Die Hypothese soll später in 
weiteren Studien mit anderen Botenstoffen untersucht werden.
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.

 
         
         
         
         
         
         
         
         
         
         
         
         
         
         
         
       
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