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Das Mengele Syndrom: Eine deutsch-israelische Krankheit

Archivmeldung vom 13.10.2005

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 13.10.2005 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Mit dieser Überschrift versehen erhielten wir einen ausführlichen Leserbrief von Prof. Dr. Oswald LeWinter zum Thema: "Darf Deutschland Israel kritisieren". In seiner nachfolgenden Ausführung geht Prof. Dr. Oswald LeWinter auch auf das Verhalten des Suhrkamp Verlages ein, im Bezug auf das im Frühling 2003 erschienene Buch "Nach dem Terror" von dem englischen Moralphilosophen Ted Honderich ein.

Seit einiger Zeit bemerke ich mit zunehmenden Unbehangen, wie eine Krankheit, die ihren Ursprung in der Vergangenheit bzw. eine nie ganz bewältigte Vergangenheit der Deutschen, wie auch den israelitischen Geist infiziert, und sich über die Moral sowie auch das gesamte öffentliche Leben ausbreitet. Ich rede von dem Holocaust, der dazu in Israel geführt hat, daß die Regierung mit dem „Nie wieder!“ und dem „Wir dürfen das Martyrium der 6 Millionen nie vergessen.“ einen Schleier über die Öffentlichkeit gezogen hat um, ein teuflisch böses Spiel des Staatsterrors gegen eine meist wehrlose Gruppe der Entrechteten zu führen, um ihre Ziele des Territoriumsraubes zu verwirklichen, während sie jede vernünftige Friedensbemühung auf beide Seiten des Stacheldrahtvorhangs ignoriert oder was noch schlimmer ist, militärisch unterdrückt. Daß dieser Staatsterror einen Terror der Suizidbomber als Palästinenserantwort hervorgerufen hat, wissen wir leider gut genug, da die Medien uns ständig mit blutverschmierten Bilder konfrontieren. Der Mitleidsgewinn für Israel darf dabei nicht unterschätzt werden.

In Deutschland ist das Krankheitsbild komplexer und auf eine verderbliche Weise sogar schlimmer.  Das behaupte ich aufgrund der gesamten deutschen Nachkriegsgeschichte. Es war für mich als Holocaustüberlebender schon immer bemerkenswert, daß die deutsche Öffentlichkeit bald nach Kriegsende sich ganz couragiert der schonungslosen Aufarbeitung ihrer Schuld für die Grausamkeiten der Endlösung stellte. Wer dies wie ich miterlebte, sah eine systematische Rückkehr zu dem Deutschen Geist und der Moral in der Lessing, Goethe, Schubert, Martin Niemoller, und Adorno ihre Wurzeln fanden. Das diese moralische Grundidee heute noch lebt, hat Bundeskanzler Schröder bewiesen, als er sich gegen den illegalen Präventivkrieg im Irak und gegen den Dünnbrettbohrer im Weißen Haus stellte und bereit war einige Nachteile dafür in Kauf zu nehmen.

Überraschender dafür war die Reaktion auf das Buch „Nach dem Terror“ von dem englischen Moralphilosoph, Ted Honderich, das der Suhrkamp Verlag im Frühling 2003 versuchte auf dem Markt zu bringen. Daß ein Holocausierer Namens Brumlik das Buch angriff, überraschte mich nicht. Dieser schnodderige Möchtegernintellektueller, der aus dem Holocaust seine profitable Karriere gebastelt hat und noch dazu die Frechheit besitzt sich als der Petronius der Juden hinzustellen, der entweder das Buch gar nicht las, und wenn sicherlich nicht verstand, titulierte dieses Buch als antijüdisch, bzw. antisemitisch. Damit löste er einen Orkan der Entrüstung in den Medien aus, der in der jüngsten Vergangenheit, außer in den Fall der Lynchjustiz in Sachen Möllemann, beispiellos ist. Honderich wurde verteufelt. Sein Buch wurde verteufelt. Suhrkamp zog das Buch aus dem Verkehr und die alleinregierende Diva, Ulla Berkewicz, Chefin durch Erbschaft im Hause Suhrkamp ging so weit, die Übersetzung gegen Bares nicht herauszugeben. Ein klarer Sieg der Neozionisten in Deutschland.

Mir ist klar was das bedeutet. Man darf in Deutschland Israel nicht kritisieren. Ich finde das mehr als traurig. Deutschland hat sich in den letzten fünfzig Jahren in aller Welt für Menschenrechte laut eingesetzt: in China, in Afrika gegen Apartheid, in Myanmar und in Rußland. Wo immer die Würde der Menschen mißachtet wurde oder Hilflose entrechtet wurden, gab es Stimmen in der deutschen Öffentlichkeit, die mahnten uns zum Mut sich den „Anfängen zu wehren“. Ich lebte in Deutschland zehn Jahre lang als Professor und Psychoanalytiker in eigener Praxis und begegnete niemals den winzigsten Schimmer von Antisemitismus. Daher ist mir diese öffentliche Hetzkampagne   gegen ein Buch, das geschrieben wurde um einiges über die Beweggründe des Terrorismus (die Geschehnisse vom 9-11-2001 sind derAusgangspunkt für Honderichs Diskussion) zu schildern, absolut schleierhaft. Ob man mit dem Autor übereinstimmt oder nicht ist gar nicht die Hauptsache. Wenn das Buch nicht erscheinen darf und die lang durchdachten Thesen nicht zur öffentlichen Diskussion gestellt werden können, geht mehr als eine Gelegenheit für eine faire Debatte  zu Grunde. Es scheint mir, als ob wir uns wieder in Deutschland der Bücherverbrennung nähern. Und der haieartige Futterwahn der Presse hört nicht auf. Unlängst kommentierte die „ehrbare“ FAZ den Rücktritt des Beratergremiums bei Suhrkamp mit einer unverschämten Behauptung das Honderichbuch sei antijüdisch. Wenn sich für so eine beispiellose Idiotie die FAZ nicht schämt, schäme ich mich für die Zeitung.

Angefangen habe ich mit einer These, daß die Vergangenheitsbewältigung der Deutschen noch nie im psychoanalytischen Sinne abgeschlossen wurde. Mein Beweis für die Genauigkeit meiner These liegt darin, daß Israel das einzige Beispiel von einem Staat liefert, der Menschenrechte grob und dauerhaft verletzt, von der deutschen Öffentlichkeit nicht kritisiert wird - und dies über Jahre hinweg. Warum dieses Schweigen zu fürchterliche Greueltaten eines Staates gegen eine wehrlose Bevölkerungsgruppe? Ich behaupte der Grund liegt bei Mengele, bei den Grausamkeiten der Vernichtungslager, die einen Überschuß von Mitleid für Israel, welches  vom Staat schamlos ausgenutzt wird, liefert, so wie bei der Angst, das jede Kritik an Israel die Kritiker als Antisemiten brandmarken würde. Obwohl das aus meiner Sicht völliger Unsinn ist, gibt es das heute noch in Deutschland. Ich habe es satt. Ich bin nicht nur gläubiger Jude, sondern auch Mensch und möchte als Mensch begegnet und behandelt werden, ohne für jeden Verstoß gegen gute Sitten entschuldigt zu werden.

Ich war eng befreundet mit dem verstorbenen James Baldwin, dem großen, schwarzen amerikanischen Schriftsteller. Einmal gab ein berühmter Politiker einen Empfang. Er lud Baldwin ein, aber der ging nicht hin. Ich fragte ihn warum. Darauf sagte er mir, das sind diese Liberalen. Die behandeln mich nicht wie ein Mensch, sondern wie eine Symbol, das für ihre verdrängte Schuld über die schlechte Behandlung der Schwarzen gerade stehen muß. Als ich ihn fragte was er damit meinte, sagte er mir als Erklärung für seinen Standpunkt folgendes, das ich damals niederschrieb, weil es mir so zutreffend schien auch für die gegenwärtigen Verhältnissen in Deutschland zu passen:
„Wenn ich als Gast zu einem Empfang voller Liberalen komme und ich im Wohnzimmer vor allen Gästen die Hose herunterlasse und auf den Perser Teppich meinen Darm entlehre, schaut jeder weg. Ich werde entschuldigt. Ich aber möchte wie jeder Weiße, der sich schlecht benimmt herausgeworfen werden oder zumindest zur Rede gestellt werden. Dadurch würde man meine Menschlichkeit würdigen.“

Ich habe ihn damals verstanden. Heute verlange ich von den Deutschen wie ein Weißer behandelt zu werden. Das ich Jude bin ist total nebensächlich. Ob ich Israeli bin ist auch kein Grund mich für schlechtes oder illegales Benehmen zu entschuldigen oder dabei wegzuschauen. Es sind 60 Jahre vergangen seit den Nürnberger Prozessen, 60 Jahre seit die Öfen der Vernichtungslager ausgegangen sind. Die meisten Täter sind längst gestorben. Deutschland hat jede Schuld mehr als zu Genüge getilgt. Man darf die Deutschen der Gegenwart nicht länger im Sumpf dieser Schuld über Taten, mit denen sie wirklich nichts zu tun hatten, ersticken lassen. Das Deutschland von heute ist eine reife Demokratie, die schwer für die Sünden der Vergangenheit bezahlt hat, und ist mir als Jude und jeden anderen gerechten Menschen nichts schuldig. Ich verlange nur, daß man diese Vergangenheit nie vergessen soll, weil man sonst in Gefahr ist sie zu wiederholen.
Ja,  verdrängte Schuld ist gefährlich. Jeder Psychoanalytiker weiß das so etwas irgendwann in einer Reaktion ausartet. Ich habe Deutschland längst verziehen und bete, daß die Deutschen sich auch selbst total verzeihen.

Die deutsche Öffentlichkeit hat ein wohlverdientes Recht Israel  zu kritisieren und sollte auch des öfteren davon Gebrauch machen.
 
Prof. Dr. Oswald LeWinter


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