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BERLINER MORGENPOST: Der Duisburger Oberbürgermeister und die Love-Parade-Katastrophe

Archivmeldung vom 30.07.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 30.07.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Morgen wird in Duisburg der Trauergottesdienst für die 21 Toten und vielen Hundert Verletzten der Love Parade 2010 stattfinden. Jeder, der in Duisburg trauert, jeder, der etwas gilt in der Stadt, wird anwesend sein. Alle, nur der Oberbürgermeister Adolf Sauerland nicht. Um die "Gefühle der Angehörigen" nicht zu verletzen und "mit seiner Anwesenheit nicht zu provozieren", werde er der Veranstaltung in der Salvatorkirche fernbleiben, sagte er einer Zeitung.

Schon als er am Tag danach Blumen am Ort der Tragödie niederlegen wollte, wurde er ausgebuht und musste, flankiert von Leibwächtern, aus dem Tunnelbereich fliehen. Seine Familie, so heißt es, habe inzwischen Duisburg verlassen - aus Angst vor Übergriffen. Sauerland selbst soll Morddrohungen erhalten haben. Aber zurücktreten, das will er weiterhin nicht. Man müsse sich Zeit nehmen, "die schrecklichen Ereignisse aufzuarbeiten", sagt er. Und alle fragen sich: Warum nur klebt der Mann so sehr an seinem Amt? Eine katastrophale Fehlplanung, die zu 21 Todesopfern führte, eine Stadt, die ihr gewähltes Oberhaupt vom Tatort jagt - was muss denn noch passieren, bis dieser Oberbürgermeister einen Rücktritt erwägt? Denn natürlich trifft ihn eine Schuld. Bislang noch keine juristische Schuld. Die muss vor Gericht geklärt werden. Aber eine moralische Schuld belastet ihn längst. Als oberster Verwaltungschef seiner Stadt läuft bei ihm alles zusammen. Und es gab genug Warnungen aus eigenen Behörden. Hat er sie überhört? Dann hat er versagt. Hat er sie gar beiseitegewischt? Dann erst recht. Wir leben in einer merkwürdigen Zeit. In den letzten Monaten haben wir so viele politische Rücktritte erlebt, die wir nicht wirklich verstanden haben. Der Bundespräsident verabschiedete sich Hals über Kopf, bis heute weiß niemand genau, was Horst Köhler dazu bewogen hat. Er reitet jetzt mit seiner Frau auf Norderney und lässt lediglich wissen, er sei mit sich selbst im Reinen. Roland Koch entdeckte plötzlich das Private, Ole von Beust seine time to say goodbye. Und das sind längst noch nicht alle Amtsfluchten. Aber für all die Dinge, die wirklich die Welt oder das Land erschüttert haben - von Finanzkrise bis Bahn-Chaos -, da hat keiner seinen Hut genommen. Adolf Sauerland ist in Gefahr, zu einer Symbolfigur für eine politische Klasse zu werden, die ihren moralischen Instinkt zunehmend verliert. Dieser Oberbürgermeister wollte die Love Parade um jeden Preis in seiner Stadt haben. Wäre alles gut gegangen, hätte man ihn dafür gefeiert. Aber es kam anders, sehenden Auges offenbar. Nun muss er auch die Verantwortung für die Katastrophe mittragen - und seinen Schreibtisch räumen. Am Sonnabend trauert eine Stadt um ihre Toten. Alle kommen. Nur einer nicht: der Oberbürgermeister. Weil er sich vor seinen wütenden Bürgern verstecken muss. Auch das ist Deutschland im Sommer 2010.

Quelle: BERLINER MORGENPOST

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