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Hoffen auf den Superzyklus

Archivmeldung vom 20.02.2021

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 20.02.2021 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott

Die Einwohner von Texas leiden unter dem schweren Wintersturm. Für viele Finanzinvestoren, die am Ölmarkt engagiert sind, kommt dieser hingegen wie gerufen. Der Ausfall wichtiger Produktions- und Raffineriekapazitäten hat die Ölpreise über bedeutende Marken getrieben. Bei der weltweit wichtigsten Sorte Brent Crude wurde zeitweilig der Preis von 65 Dollar je Barrel überschritten. Dies ist es der höchste Stand seit rund 13 Monaten.

Die Auswirkungen des harten Wintereinbruchs in dem normalerweise von kaltem Wetter verschonten Bundesstaat sind in der Tat dramatisch. Mehr als vier Millionen Einwohner sind seit Tagen ohne Strom und Heizung. Raffinerien und Ölquellen in Texas sind nicht für Temperaturen unter dem Gefrierpunkt eingerichtet. In der Folge ist die Förderung von rund 1 Mill. Barrel pro Tag (bpd) an Rohöl ausgefallen sowie 4 Mill. (bpd) an Raffineriekapazitäten. Es kann noch mehrere Wochen dauern, bis sämtliche Kapazitäten wieder hochgefahren sind.

Nun führt all das natürlich nicht zu einer Ölknappheit in den USA. Allerdings haben die Ereignisse für noch mehr Interesse der Finanzinvestoren am Ölmarkt gesorgt. Sie sind es im Wesentlichen, die den Preis derzeit antreiben - wobei sie sich auch darauf berufen, dass die Zahl der täglichen weltweiten Neuinfektionen mit Covid-19 gegenüber dem Spitzenwert um fast zwei Drittel zurückgegangen ist und dass mit einer baldigen Rückkehr des iranischen Öls an den Weltmarkt zu rechnen sei.

Der starke Optimismus am Markt sorgt bei so manchem Beobachter für Kopfschütteln. So schreibt beispielsweise Carsten Fritsch von der Commerzbank von einer selektiven Informationswahrnehmung, die ein Kennzeichen für Märkte in Übertreibungsphasen sei: Die Akteure schauten aktuell nur auf Nachrichten, die für steigende Preise sprechen. Ignoriert würden hingegen fast alle Neuigkeiten, mit denen sich niedrigere Preise begründen ließen - auch davon gebe es welche.

Andere Analysten hingegen hauen kräftig auf die Pauke und sehen noch ganz andere Preisanstiege kommen. So halten es die US-Banken J.P. Morgan und Goldman Sachs für möglich, dass der Ölpreis noch deutlich ansteigt. Von bis zu 100 Dollar ist bei einigen Fachleuten die Rede. Dies wäre ein Niveau, dass es zuletzt im Jahr 2014 gegeben hat. Diese Experten rechnen mit einem kräftigen Anschub der Ölnachfrage durch die äußerst umfangreichen fiskalischen Maßnahmen zur Stützung der Konjunktur, die die Biden-Administration durch den Kongress bekommen will. Da gleichzeitig die Investitionen in die Ölindustrie stark zurückgefahren worden sind, werde eine jahrelange Unterversorgung des Marktes die Folge sein.

Jeffrey Currie von Goldman Sachs führt noch ein anderes in­teressantes Ar­gu­ment an. Er erwartet, dass steigende soziale Ungleichheit rund um den Globus die Regierungen zu mehr Transferzahlungen und eine Politik der Wiederbelebung der Mittelklasse bewegen wird nach dem Vorbild der "Great Society" des US-Präsidenten Lyndon B. Johnson in den 1960er Jahren. Diese habe den Ölverbrauch deutlich nach oben getrieben. Einige ausgeprägte Optimisten sagen sogar einen neuen "Superzyklus" der Öl- und Rohstoffpreise voraus, wie es ihn zuletzt zwischen 2003 und 2014 gegeben hat.

Dabei werden jedoch entscheidende Fakten ausgeblendet. So dürften die USA nicht an einer echten Deeskalation mit dem Iran interessiert sein, da die geopolitische Rivalität des Iran mit dem US-Klientelstaat Saudi-Arabien weiterhin besteht. Zwar gehen die Covid-19-Ansteckungen zurück, was aber bislang weniger auf die Impfkampagnen, sondern vor allem auf die die Konjunktur schädigenden Lockdowns zurückzuführen ist - an Impfstoffen herrscht global betrachtet weiterhin Mangel.

Von zentraler Bedeutung ist zudem, dass die Produzenten des Bündnisses Opec+ nicht an einem starken Anstieg des Ölpreises interessiert sind, weil dies einerseits zu einer Wiederbelebung der amerikanischen Schieferölindustrie führen würde und andererseits sich die Öleinnahmen auch durch das Hochdrehen der Förderung steigern lassen. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet bereits über entsprechende Pläne der Opec+.

Nicht übersehen werden sollte auch, dass es wahrscheinlich nicht zu einem neuen Superzyklus der Rohstoffpreise kommen wird. Die stark gesunkenen Gewinnmargen in weiten Teilen der Realwirtschaften rund um den Globus lassen einen weiteren deutlichen Anstieg der Rohstoffkosten einfach nicht zu.

Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Dieter Kuckelkorn

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