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Westdeutsche Zeitung: OECD-Bericht

Archivmeldung vom 10.04.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 10.04.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Wenn die OECD Bildungsberichte veröffentlicht, wird Deutschland in schöner Regelmäßigkeit abgestraft. Wie ein Mantra heißt es dann: "Sechs, setzen!" Natürlich kann die Frage gar nicht oft genug gestellt werden, ob sich eine der führenden Wirtschaftsnationen auf Dauer ein so hoch selektives Schulsystem leisten kann.

Wir sollten uns aber davor hüten, in der Einheitsschule den einzigen Heilsbringer zu sehen, der Migrantenkinder scharenweise zum Abitur führt. Sicher, die Pisa-Spitzenreiter haben integrative Systeme. Doch mit Vergleichen sollte man vorsichtig sein. In Finnland etwa ist die Migrantenquote anders als in Deutschland verschwindend gering. Auch sollte kritisch hinterfragt werden, warum in England oder Frankreich immer mehr Eltern den öffentlichen Gesamtschulen den Rücken kehren und ihre Kinder auf teure Privatschulen schicken. Oder warum in Japan mehr als 60 Prozent der Schüler regelmäßig private Nachhilfeschulen besuchen. Ungeachtet dessen kann die deutsche Politik die Entscheidung über den Fortbestand des dreigliedrigen Schulsystems nicht länger aussitzen, denn in der Bevölkerung findet die Abstimmung längst mit den Füßen statt. Allein in NRW verzeichnen die Gesamtschulen einen Anmeldeboom, während die Hauptschulen ausbluten. Wer will sein Kind schon in eine Schule schicken, die den Makel einer Restschule trägt und in der sich zuvorderst Jugendliche aus bildungsfernen Schichten und Migrantenfamilien sammeln? Nicht zuletzt profitiert die neunjährige Gesamtschule von der Angst vieler Eltern vor dem Turbo-Abi am Gymnasium. Die Zusammenlegung des unteren und mittleren Bildungsgangs, wie sie jetzt propagiert wird, ist indes ein halbherziger Versuch, das System gerechter zu gestalten. Damit werden die Probleme der Hauptschule nur auf die neue Schulform verlagert. Ziel muss es sein, endlich Geld in die Schulen zu investieren und die Schüler länger gemeinsam zu unterrichten. Je später die Differenzierung erfolgt, desto geringer ist die Gefahr von Fehlurteilen seitens der Lehrer. Desto größer ist auch die Chance, das Potenzial aller Kinder auszuschöpfen. Dafür müsste die Politik aber ihre ideologischen Scheuklappen ablegen. Sonst heißt es im nächsten OECD-Bericht erneut: "Deutschland sechs, setzen!"

Quelle: Westdeutsche Zeitung (von Anja Clemens-Smicek)

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