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Börsen-Zeitung: Wette verloren

Archivmeldung vom 19.11.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 19.11.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Das hatten sich spekulativ ausgerichtete Investoren ganz anders vorgestellt: Belastet durch die Aussicht auf eine erneute Rezession zumindest in Teilen der Eurozone ist der Preis für Nordseeöl der Sorte Brent in der abgelaufenen Handelswoche erstmals seit September wieder leicht gefallen. Am Freitagabend notierte er nur noch bei 107,66 Dollar für ein Barrel (159 Liter) zur Lieferung im Januar. Dabei hatten Finanzanleger, deren Käufe den Ölpreis zuletzt entscheidend getrieben hatten, ihre Netto-Long-Positionen am Terminmarkt laut der US-Regulierungsbehörde Commodity Futures Trading Commission noch einmal kräftig um mehr als 10000 auf knapp 62000 Kontrakte ausgeweitet. Einfach mal Pech gehabt, könnte man meinen. Doch es spricht einiges dafür, dass die Wette auf einen steigenden Preis - zumindest mit Blick auf Brent - auch in den kommenden Monaten nicht mehr aufgehen wird.

Zugegeben, bis zuletzt hatte sich der Ölpreis ungeachtet der Schuldenkrise sehr robust präsentiert. In den zurückliegenden Tagen hat das Krisenszenario aber eine neue Dimension erreicht. Mit Italien und Spanien stehen nun zwei hochverschuldete Länder im Fokus der Märkte, deren Bankrott die Hilfsmöglichkeiten der europäischen Partner sehr wahrscheinlich überfordern würde. Zudem verzeichnen mit Belgien, Frankreich und Österreich nun sogar Kernländer der Eurozone an den Bondmärkten nachhaltig steigende Renditen. Mehr denn je ist es also endlich an der Zeit für eine umfassende Lösungsstrategie, die das Vertrauen der Investoren in die Eurozone stärkt. Sie ist bis dato aber weiterhin nicht erkennbar. Die Endlosdebatte über die Rolle der Europäischen Zentralbank (EZB) und die Ungewissheit darüber, ob die neuen Regierungschefs in Griechenland und Italien nun wichtige Reformen vorantreiben, steigern derweil die Verunsicherung.

Dies trägt zusätzlich zur Verschlechterung der Stimmung bei, die ohnehin zunehmend unter den sich eintrübenden konjunkturellen Perspektiven leidet. Nicht erst seit der erneuten Warnung des neuen Präsidenten der EZB, Mario Draghi, vom Freitag, dass die Abwärtsrisiken für das Wirtschaftswachstum zugenommen haben, steht für das Gros der Ökonomen fest, dass Italien, Spanien und womöglich sogar die gesamte Eurozone in der ersten Hälfte des neuen Jahres in die Rezession zurückrutschen werden. Dies hätte natürlich erhebliche Folgen für den Ölmarkt, denn Europa steht für ein Siebtel des globalen Ölverbrauchs und konsumiert damit - nebenbei bemerkt - immer noch rund 40% mehr Öl als das stark aufstrebende China. Einen sicheren Hinweis darauf, dass die Nachfrage bereits sinkt, sehen Marktteilnehmer darin, dass sich die Preise der Brent-Kontrakte unterschiedlicher Laufzeiten bereits angleichen. Bis zuletzt war hier u.a. infolge der Libyen-Krise noch eine Backwardation-Formation zu beobachten gewesen, bei der für den Kontrakt mit kurzer Laufzeit der höchste Preis zu zahlen ist und der Preis anschließend über die Terminkurve fällt.

Zugleich läuft die Ölproduktion in dem nun von einer Übergangsregierung geführten Libyen auf immer höheren Touren. Die volle Leistungsfähigkeit soll voraussichtlich zwar erst in etwa einem Jahr wieder erreicht sein, sollten die übrigen Mitglieder der Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) ihre Produktion aber nicht anpassen, droht schon vorher ein Überangebot. Die nächste Opec-Sitzung am 14. Dezember dürfte dazu Hinweise liefern.

Der Preis für US-Öl der Sorte West Texas Intermediate steigt hingegen stetig an. Zeitweise notierte er in der abgelaufenen Woche erstmals seit Juni wieder über 100 Dollar pro Barrel. Für einen kräftigen Preisschub sorgte zur Wochenmitte die Meldung, dass ConocoPhillips seine Beteiligung an der Pipeline "Seaway" verkauft und der künftige Eigentümer die Kapazität der Röhre erhöhen und die Fließrichtung gen US-Golfküste umkehren will.

Am Freitag setzte sich zwar die Einschätzung durch, dass dies nicht ausreicht, um den Engpass am Umschlagplatz Cushing zu beheben, der als Hauptfaktor für den Spread zwischen WTI und Brent gilt. Dass der Spread zwischen den beiden Ölpreisen nun schon auf rund 10 Dollar gefallen ist, liegt aber auch daran, dass sich in den USA die konjunkturellen Perspektiven nun schon etwas aufhellen, wie vor dem Wochenende der überraschende Anstieg der Frühindikatoren zusätzlich unterstrich. Die Preisdifferenz dürfte sich auch aus diesem Grund weiter einengen. Spätestens 2013, wenn in den USA dann weitere Pipeline-Kapazitäten zur Verfügung stehen, könnte der Spread komplett verschwinden.

Quelle: Börsen-Zeitung (ots)

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