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Berliner Morgenpost: Die Kanzlerin verzichtet auf Grausamkeiten

Archivmeldung vom 11.11.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 11.11.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Zumindest ökologisch gesehen war der Auftritt von Angela Merkel zum Start der neuen Legislaturperiode bemerkenswert. Denn selten zuvor war eine Regierungserklärung aus so viel Recyclingmaterial zusammengestoppelt. Der wohlklingende Fünf-Punkte-Plan birgt Altbekanntes: Krisenreaktion, Bürger mit Staat versöhnen, Demografie, Umwelt, Verhältnis von Freiheit und Sicherheit. Mit diesem Plan hätte jeder Kanzler seit 1949 antreten können.

Auch das Ankündigen einer "schonungslosen Analyse" hat man schon mal gehört: Ob Bildung, Gesundheit oder Arbeitsmarkt - seit Jahrzehnten wird schonungslos analysiert. Die Deutschen sind Weltmeister im Beschreiben von Problemen; nur mit dem Lösen dauert es ziemlich lange. Nach Wahlsieg, Wiedervereidigung und Einheitsjubiläum hat die Kanzlerin das Land in wenigen Stunden wieder auf den kalten Boden des Alltags zurückgeholt. Kaum eine Regierung seit 1990 habe vor derartigen Herausforderungen gestanden wie diese, hat Angela Merkel festgestellt. Das mag sein, ist aber auch nicht neu. Die letzte schwarz-gelbe Regierung, die vor 27 Jahren ihre Arbeit aufnahm, hatte es nicht leichter. Die Wirtschaft erlebte damals die längste Krise seit dem Krieg, die Arbeitslosigkeit lag, wie heute, über sieben Prozent, die Inflation bei 5,2, das Bruttosozialprodukt bei minus 1,1 Prozent. Kanzler Kohl, Finanzminister Stoltenberg und Wirtschaftsminister Lambsdorff handelten seinerzeit allerdings weitaus entschlossener, um den Haushalt zu sanieren: Arbeitslosen- und Rentenbeiträge rauf, Kinder- und Wohngeld gesenkt, Renten und Sozialhilfeerhöhung gestoppt, BAföG auf Darlehensbasis umgestellt. Alles nicht schön - aber vor allem: wirkungsvoll. Über geordnete Finanzen zu einem geordneten Staatswesen, lautete die Parole. Bereits ein Jahr später hatten sich die Zahlen gebessert. Kanzlerin Merkel dagegen hat übers Sparen kaum Worte verloren, stattdessen die ewige Hoffnungskarte Wachstum gespielt. Wolkig blieb die Chefin dagegen bei Börsenumsatzsteuer und wirksamen Mitteln gegen die Kreditklemme für den Mittelstand. Vor vier Jahren wurden noch kleine Schritte als Rezept ausgegeben, diesmal regiert der Stillstand: Nur keine Unruhe verursachen, irgendwie in die Weihnachtspause gleiten und auf das neue Jahr hoffen. Es lebe die Unauffälligkeit, denn die nächste Wahl wartet schon. Gilt eine Regierungserklärung normalerweise fürs ganze Land, war die gestrige Version eine Spezialausgabe für Nordrhein-Westfalen. Im Mai bereits wird im größten Bundesland abgestimmt. Und die Geschichte der Republik zeigt, dass die Bürger die Kräfte in Bund und Land gern austarieren. Sollte sich Gabriels SPD rasch in der Opposition einfinden, und nichts spricht dagegen, dann könnten Sozialdemokraten, Linke und Grüne im Reiche Rüttgers eine erneute schwarz-gelbe Mehrheit verhindern. Also verzichtet die Kanzlerin selbst auf die allerkleinsten Grausamkeiten. Im Sommer 2010 wird sie womöglich eine weitere Regierungserklärung abgeben - dann hoffentlich die richtige.

Quelle: Berliner Morgenpost

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