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"DER STANDARD"-Kommentar: "Der Beute-Sohn"

Archivmeldung vom 21.11.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 21.11.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Dass er es in all diesen Wochen nicht aus Libyen herausgeschafft hatte, zeigt das Ausmaß des Zusammenbruchs des Gaddafi-Regimes in Libyen: Alle Netzwerke waren für Saif al-Islam al-Gaddafi zusammengebrochen, niemand brachte ihn über die Grenze. Dem Lynchtod seines Vaters in den Händen der Ex-Rebellen hat er wohl hauptsächlich sein eigenes Leben zu verdanken: Dass Barbarei sich international nicht gut macht, wurde den Milizen, die ihn jagten, offenbar klargemacht. Aber das ist nicht der einzige Grund dafür, dass der älteste Sohn aus Muammar al-Gaddafis zweiter Ehe seine Verhaftung überlebt hat.

Die Kämpfer aus Zintan beziehungsweise deren Befehlshaber wollen ihn nämlich einer Zentralgewalt nicht überstellen, bevor die Bildung der neuen Regierung von Abdul Rahim al-Kib nicht abgeschlossen ist. Nicht aus mangelndem Vertrauen in die Zukunft der Institutionen, sondern weil Zintan mit - dem lebenden - Gaddafi in der Hand ein größeres Stück vom Kuchen gebührt: So funktioniert Politik im neuen Libyen. Schon in einer relativ frühen Phase des Kriegs haben die einzelnen bewaffneten Gruppen damit begonnen, militärische Erfolge oder handfeste martialische Beute - wie Gefangene eben - dazu zu benützen, ihren Forderungen nach einer größeren politischen Rolle mehr Gewicht zu verleihen. Ein Gefangener wie Saif al-Islam al-Gaddafi ist in dieser Konstellation viel wert. Und deshalb wurde nicht der Gefangene zur Staatsmacht gebracht, sondern diese kam zum Gefangenen: Der Premier reiste nach Zintan, wo Gaddafi einstweilen festgehalten wird. Dass er dem Internationalen Gerichtshof ausgeliefert werden könnte, ist vom Tisch. Auf ihn wartet ein libysches Gericht und ein Todesurteil. Denn aus demjenigen, der auch in Libyen selbst jahrelang als der rationalste und international präsentabelste Gaddafi-Sohn wahrgenommen wurde, ist nun derjenige geworden, der die ganze Schuld des Regimes trägt. Nicht nur weil er am längsten durchgehalten hat. Durch seine Medienpräsenz zu einer Zeit, als sein Vater nur noch in irren Tonaufzeichnungen im syrischen Sender al-Rai zu hören war, wurde er zum Gesicht des Regimes - und selbst immer erratischer. Was für eine traurige Karriere für einen, dem man einmal Reformwillen und sogar die Fähigkeit zugesprochen hat, Libyen vielleicht in eine Übergangszeit zu führen. Die Wut der Libyer auf den einzigen Gaddafi-Sohn in ihrer Gewalt ist groß. Der fromme Wunsch nach einem Prozess, der internationalen rechtlichen Standards folgt, darf dennoch ausgesprochen werden: Das wäre auch eine wunderbare Gelegenheit für westliche Politiker, sich einzubringen und Tripolis nicht nur mit Geschäftsleuten im Tross heimzusuchen. Immerhin wird Saif al-Islam jetzt vielleicht zum Beschleunigungsfaktor für die schwierige libysche Regierungsbildung: Denn ohne Einigung kann es auch keinen Gaddafi-Prozess geben. Vielleicht hat ja die Aussicht darauf erst einmal ein einigendes Element - das Libyen so dringend brauchen würde. Die jüngsten Gefechte zwischen Stämmen waren ein düsteres Zeichen. Und immer wieder klagen bekannte Ex-Rebellen - Ex-Regierungschef Mahmud Jibril und der Botschafter bei der Uno in New York, Abdul Rahman Shalgham - das Golfemirat Katar an, in Libyen die Islamisten zu Ungunsten der anderen politischen Kräfte zu fördern.

Quelle: Der Standard (ots)

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