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Börsen-Zeitung: Auf dem Niveau vor Lehman, Marktkommentar

Archivmeldung vom 11.11.2017

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 11.11.2017 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott

Von den Staatsanleihemärkten dies- und jenseits des Atlantiks kommen derzeit keine ermutigenden Signale hinsichtlich der Konjunkturentwicklung. Sowohl die Zinsstrukturkurve in den USA als auch die Renditekurve der Bundesanleihen, die allgemein als sehr verlässlicher Ratgeber in Sachen konjunktureller Dynamik gelten und damit den Pfad der Geldpolitik der jeweiligen Notenbank vorzeichnen, geben recht klare Richtungen vor. Am US-Markt hat sich die Kurve stark verflacht, bei der Bundkurve läuft diese Tendenz seit rund zwei Monaten.

Unter einer normalen Zinsstrukturkurve versteht man, dass die langfristigen Zinsen über den kurzfristigen Zinsen liegen. Beim Laufzeitenband wählt man gemeinhin den Abstand zwischen den zwei- und zehnjährigen Fälligkeiten der jeweiligen Staatsanleihen. Läuft die Konjunktur rund - und droht sie vielleicht in eine Hochkonjunktur mit Überhitzungserscheinungen überzugehen -, muss die Notenbank auf längere Sicht mit höheren Zinsen dagegen ansteuern. Das zeigt die normale Kurve am Markt dann schon an, indem die langen Zinsen eben über den kurzen Sätzen sind.

Umgekehrt sieht es bei einer inversen Zinsstruktur aus, bei der die langfristigen Zinsen in Gestalt der zehnjährigen Staatsanleiherenditen unter den kurzfristigen, d.h. zweijährigen Staatstitelrenditen liegen. Die Wirtschaft geht in die Rezession über oder befindet sich in derselben, weshalb die Notenbank mit Zinssenkungen/niedrigen Zinsen gegen die konjunkturelle Schwäche ankämpfen muss, d.h. die Wirtschaft via Geldpolitik stimuliert. Das bildet der Markt vorab über die inverse Zins-/Renditestruktur ab. Von der normalen zur inversen Zinsstruktur gelangt der Markt über die Verflachung der Zinsstruktur, d.h. die langfristigen Zinsen fallen, und die kurzfristigen Zinsen/Renditen fallen nicht so stark oder steigen leicht an.

Der Gradmesser der Verflachung ist der Abstand der Anleiherenditen zwischen dem kurzen und langen Laufzeitenende. Am US-Staatsanleihemarkt beträgt dieser Abstand nun knapp unter 70 Basispunkte (BP) oder 0,7 Prozentpunkte, denn die zehnjährigen US-Rentenpapiere werfen um die 2,33% ab, die zweijährigen US-Titel um die 1,64%. Man muss schon lange suchen, bis man einen derartig engen Abstand zwischen diesen beiden Laufzeiten in der Vergangenheit findet: Es ist die geringste Differenz dieser beiden Renditewerte seit einem Jahrzehnt, letztmalig im November 2007, also knapp ein Jahr vor der Lehman-Pleite zu beobachten.

Die Anleger stellen sich demzufolge darauf ein, dass die US-Wirtschaft in nächster Zeit in den Abschwung übergeht - nach neun Jahren Aufschwung vielleicht nicht die allergrößte Überraschung. Das würde dann auch bedeuten, dass sich die US-Notenbank Fed mit ihrem nächsten Zinsschritt nach oben etwas beeilen sollte, denn für den Abschwung muss sie sich wieder (Zins-)Pulver zur Seite legen, damit sie der Wirtschaft später über Zinssenkungen wieder unter die Arme greifen kann. Allerdings läuft sie bei weiteren Zinserhöhungen verständlicherweise auch Gefahr, dass sie sich dem Vorwurf ausgesetzt sieht, die Wirtschaft über Zinserhöhungen abgewürgt zu haben. Wobei in diesem Zusammenhang immer noch zu berücksichtigen ist, dass sie bislang offenkundig keinen aggressiven Kurs in der Zinsanpassung nach oben gefahren ist.

Eurozone zieht nach

In der Eurozone ist es nicht so drastisch wie in den USA, aber die Entwicklung ist auch nicht von der Hand zu weisen. In den vergangenen knapp zwei Monaten hat sich auch hier die Bundkurve abgeflacht. Betrug der Abstand zwischen zwei- und zehnjährigen Bundrenditen in der zweiten Septemberhälfte noch knapp 120 BP oder 1,2 Prozentpunkte, sind es etwas weniger als 110 BP bzw. unter 1,1 Prozentpunkte. Rund 10 BP sind gewiss nicht die Welt und noch lange kein Grund, in Panik zu verfallen und die Rezession auszurufen. Aber man sollte es vielleicht auch nicht auf die leichte Schulter nehmen. Geht es nämlich unter die 100 BP oder 1-Prozent-Marke, ist der Markt auch hierzulande offensichtlich nicht mehr weit vom US-Niveau entfernt.

Für die Europäische Zentralbank (EZB) wäre das gewiss keine wünschenswerte Entwicklung. Kommt es nämlich zum Abschwung - vielleicht sogar im Sog der US-Wirtschaft -, wird es mit dem Ausstieg aus der ultralaxen Geldpolitik (Quantitative Easing) wohl so schnell nichts werden. Vielmehr wäre die Wirtschaft darauf angewiesen, weitere Unterstützung durch die Währungshüter zu bekommen. Eine Fortsetzung von QE wäre somit wahrscheinlich. Kurzum: An dem mittlerweile Jahrtausende andauernden Zins-/Renditeverfall wird sich wohl auch in naher Zukunft wohl kaum etwas ändern.

Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Kai Johannsen

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