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Vor der Bewährung

Archivmeldung vom 09.07.2021

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 09.07.2021 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Sanjo Babić

Am Ende ging alles sehr schnell. Zwar hatte sich zuletzt abgezeichnet, dass der EZB-Rat seine erste Strategieüberprüfung nach fast 20 Jahren schneller abschließen könnte als lange avisiert - nämlich erst Ende des Sommers oder im Herbst. Für viele Beobachter aber kam es dann doch überraschend, wie zügig die Notenbanker Fakten schufen. Bei selbigen bleibt dafür die große Überraschung aus: ein klareres Inflationsziel, die Einbeziehung von Wohnkosten, mehr "Grün" in der Geldpolitik - vieles war so erwartet und bedeutet mehr Evolution statt Revolution. Das muss keineswegs schlecht sein. Mitunter hätte man sich aber doch etwas mehr erhofft.

Positiv ist sicher allem voran, dass sich der EZB-Rat trotz Kontroversen recht rasch und geräuschlos auf eine Position verständigt hat. Ein ewiges Gezänk oder öffentliches Gezeter wäre fatal gewesen - für die interne Stimmung wie für die externe Wahrnehmung. Positiv ist zudem, dass die Strategieentscheidung nun getroffen ist, bevor wohl im September das Verdikt über die Zukunft des Pandemie-Notfallanleihekaufprogramms PEPP ansteht. Aber für den Konsens brauchte es natürlich Kompromisse. Und deshalb sollte sich niemand der Illusion hingeben, dass aller Streit im EZB-Rat für alle Zeiten ausgeräumt ist.

Das gilt auch und vor allem für das Inflationsziel, das im Zentrum der Review stand. Sicher ist das jetzige Ziel von 2 % klarer als das bisherige "unter, aber nahe 2 %". Aber so wie die Notenbanker bislang munter streiten konnten, ob nicht auch 1,5 % oder 1,6 % nahe genug an den 2 % wären, können sie künftig etwa lebhaft darüber ringen, für wie lange ein Überschießen der 2 % toleriert werden darf. Erfreulich ist in jedem Fall, dass die EZB kein explizites durchschnittliches Inflationsziel "Average Inflation Targeting" à la Fed einführt. Das birgt mehr Risiken als Chancen. Was dagegen fehlt, ist etwa eine Analyse, welche Lehren die Finanzkrise für die Geldpolitik bereithält, oder klare Ansagen zur Trennung von Fiskal- und Geldpolitik.

Was nun die weitere Geldpolitik betrifft, könnten das neue Inflationsziel und die Toleranz für zeitweise höhere Raten sogar dafür sprechen, noch expansiver zu werden. Davor sollte sich die EZB aber hüten. Die Geldpolitik ist bereits "kraftvoll", wie es im neuen EZB-Sprech heißt. Stattdessen ist die Zeit reif, zumindest mal zu besprechen, wie der Weg aus den Coronahilfen geschafft werden kann. Die EZB darf die Inflationsgefahren nicht negieren, und sie muss jeden Eindruck verhindern, dass sie die Geldpolitik vollends in den Dienst der Staatsfinanzen stellt. Der wahre Bewährungstest für die neue Strategie erfolgt erst in der Praxis.

Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Mark Schrörs

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