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Südwest Presse: Kommentar zur Koalition

Archivmeldung vom 26.10.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 26.10.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Ein Traumstart sieht anders aus. Aber Politik lässt wenig Raum für Phantasien von Harmonie und Glückseligkeit, nicht einmal für eine Wunschkoalition, die sich lange gesucht und nun - um einige Jahre verspätet - doch noch gefunden hat. Union und FDP legen eher stolpernd los.

Ihr zunächst bis 2013 befristeter Ehevertrag verrät beileibe nicht alles über die "neue Richtung", die das traute Paar der Republik verordnen will. Einen Masterplan für den Weg aus der Krise und den Aufbruch zum Gipfel ökonomischer Leistungsfähigkeit haben die Verhandlungspartner jedenfalls nicht vorgelegt. Offenkundig waren die Schubladen des bürgerlichen Lagers nicht gerade üppig gefüllt mit Konzepten und Blaupausen für den ersehnten Tag der gemeinsamen Machtübernahme. Die liberalen Zauberlehrlinge mussten erst einmal Fühlung mit der Realität aufnehmen und verwandten ihre ganze Energie darauf, das großspurige Wahlversprechen von milliardenschweren Steuersenkungen gegen den Widerstand einer seit 2005 regierenden Partei durchzusetzen, die ihre Mitverantwortung für die Rekordverschuldung des Bundes nicht einfach in Abrede stellen kann. So liest sich der 124 Seiten starke Koalitionsvertrag wie eine schwarz-gelbe Mischung aus Hoffen und Bangen, aus Neustart und Kontinuität. Dass der Text eine klare Handschrift trägt, lässt sich daher nicht behaupten; er ist - keineswegs überraschend - eine Ansammlung christdemokratischer, christsozialer und liberaler Gefälligkeiten an die Adressen der jeweils umworbenen Klientel. Und bisweilen fördert der Zwang zum Kompromiss so unsinnige Konstruktionen zutage wie den nur noch sechsmonatigen Schnupperkurs für Wehrpflichtige beim Bund. "Mut zur Zukunft" - dieses nicht sonderlich einfallsreiche Leitmotiv der Koalition klingt nach reiner Selbstbeschwörung. Was ist schon mutig daran, den Glauben an die segensreiche Wirkung sinkender Steuern für Wachstum, Arbeitsplätze und Staatsbudget wie eine Monstranz vor sich her zu tragen und die Augen vor dem Abgrund explodierender Kreditlasten zu verschließen? Das ist in Wahrheit tollkühn. Die katastrophale Wirklichkeit der öffentlichen Finanzen wird nicht anerkannt, sondern passend gemacht, notfalls durch kreatives Schuldenmanagement. Schon klar, Geld fehlt an allen Ecken und Enden. Gleichzeitig versteigt sich die Koalition zu der Versicherung, "Deutschland in Bildung, Wissenschaft und Forschung an die Weltspitze" zu führen. Wie, bitte, soll dieser Quantensprung in absehbarer Zeit gelingen, wenn die Bundesrepublik im internationalen Schulvergleich nur gehobenes Mittelmaß repräsentiert und die zuständigen Länder unter chronisch leeren Kassen leiden? Hier nimmt die politische Klasse den Mund mal wieder voll, um von verheerenden Versäumnissen der jüngeren Vergangenheit abzulenken. Das Gütesiegel der Nachhaltigkeit muss sich die neue Regierung erst noch verdienen. Das gilt vor allem für ihre Haushaltsführung, die maßgeblich darüber entscheidet, unter welchen Bedingungen künftige Generationen leben werden. Das gilt ebenso für die Sozialpolitik, die im Zeichen eines schleichenden Ausstiegs aus dem System der solidarischen Daseinsvorsorge steht. Auch hier versucht die Koalition, ihre tatsächlichen Absichten wortreich zu verschleiern, um dem Vorwurf der "sozialen Kälte" zu entgehen. Ein "Schutzschirm für Arbeitnehmer" wird ausgelobt - das hört sich fast nach einer staatlichen Jobgarantie an. Dabei werden durch die Beitragszuschüsse an die Sozialversicherungen nicht nur die Beschäftigten entlastet, sondern die Arbeitgeber ebenso. Mut zur Zukunft? Mut zur Wahrheit wäre besser.

Quelle: Südwest Presse

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