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Ungarn: Rezension zum Arte-Beitrag „Hallo, Diktator“ - Ein bolschewistischer Propaganda-Trick der Brüsseler Eliten

Archivmeldung vom 16.02.2021

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 16.02.2021 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott

"Die Präsentationsmethode ist der alte bolschewistische Trick. Zunächst als Theorem eine spektakuläre Tatsachenfeststellung, ein Stückchen Realität, das dann nach dem Zweck des Konzepts geformt wird…" Dies schreibt die Kulturhistorikerin und Philologin Irén Rab in ihrem Beitrag auf dem Online-Portal der konservativen Tageszeitung "Magyar Hirlap" (3.2.21) und der "Budapester Zeitung", deren deutsche Übersetzung das Magazin "Unser Mitteleuropa" veröffentlichte.

Weiter schreibt Rab: „Eine Scheindemokratie, eine ausgehöhlte, gefesselte Demokratie, eine Verhöhnung der Demokratie, ein Demokratietheater”, tönt es in der Ouvertüre des mehrstimmigen EU-Chors. Die Chormitglieder sind bekannte, abgehalfterte oder gerade erst aufstrebende europäische Parlamentarier. Das Stück trägt den vielsagenden Titel „Hallo, Diktator!”.

Das Thema des Arte-Films ist die ungarische Rechtsstaatlichkeit, die Hauptfigur ist der ungarische Ministerpräsident. Alle reden über ihn, alles dreht sich um ihn, er ist zugleich der Konflikt, die Komplikation und die Lösung. Im Stück tritt auch der vereinigte ungarische Oppositionschor auf – die selben altbekannten Budapester Gesichter sowie einige in ihrer Existenz bedrohte Organisationen, die die verbliebenen Krümel der Demokratie zu bewachen glauben.

Die Erzählstruktur der Geschichte ist wirklich modern, der Regisseur sortiert und bewertet die wichtigen Momente im Leben des Protagonisten. Wir können verfolgen, wie der radikale Revolutionär Viktor Orbán in die Politik eintritt und zum Abtrünnigen wird, der seine liberalen Werte verrät, um sich dann nach der Machtergreifung Schritt für Schritt „mit seiner ganzen Bande in echte Verbrecher” zu verwandeln. Die wohlwollende EU schaut dem ganzen Treiben nur hilflos zu, sie ist nicht darauf vorbereitet gewesen. Es besteht die Gefahr, dass das Modell Orbán Schule macht und andere seinem Beispiel folgen.

Die Dramaturgie arbeitet mit wechselnden Zeitebenen. Durch das Labyrinth der Informationen führt der neu gefundene Heilsbringer der europäischen Grünen, der Deutsche Daniel Freund. Er kommentiert viele Szenen des Flickwerks.

Ein lupenreiner Propagandafilm

Arte, ein europäischer Kultursender in deutsch-französischer Hand, überraschte seine eigentlich etwas Besseres gewöhnten Zuschauer zur Weihnachtszeit mit diesem an einen Dokumentarfilm erinnernden Machwerk. Entgegen der üblichen Praxis kann der Film nicht nur sieben Tage nach Ausstrahlung, sondern gleich ganze drei Monate lang in der sendereigenen Videothek angeschaut werden. Am 2. Februar wurde er bei Arte zur besten Sendezeit noch einmal ausgestrahlt. Es handelt sich um einen deutschen Propagandafilm, der dem Vorbild Goebbels’scher Streifen folgt.

Die Auftraggeber sitzen in Brüssel. Im Hintergrund stehen Vertreter der progressiven Sektion des Europäischen Parlaments, die unabhängig von Fraktions- oder Parteibindung, allesamt unisono für den Rechtsstaatsmechanismus eintreten.

Anderthalb Stunden Film, nur um Ungarn, seine nach den Regeln der Demokratie rechtmäßig gewählte Regierung und die ungarische Politik zu diskreditieren. Der Film legt nahe, dass es in der ungarischen Welt weder Demokratie noch Werte gibt.

Nur Viktor Orbán gibt es überall, er ist der Ursprung von allem, und solange er in Ungarn die Politik definiert, sind angeblich die ungarischen sowie die gemeinsamen europäischen Werte bedroht. Im Geiste der Ausgewogenheit erhielt auch ein offizieller Vertreter der Regierungsseite die Gelegenheit, seinen Standpunkt darzulegen – von den anderthalb Stunden erhielt Regierungssprecher Zoltán Kovács ganze anderthalb Minuten.

Mehr braucht man auch nicht, meint die ungarische Opposition, der Film sei schließlich nicht für die Ungarn, sondern für die Europäer. Normalerweise besteht die Aufgabe eines Dokumentarfilms darin, Fakten zu ergründen – in diesem Fall geht es allerdings um die Enthüllung alternativer Fakten, gewürzt mit urbanen Legenden. Wenn jemand aber statt mit realen Fakten mit Vorurteilen arbeitet, dann dient das ganz klar Propagandazwecken.

Dank der politischen Parolen ist die Einstufung von Orbán als Diktator schon von Anfang an vorgegeben. Die Aufgabe des Films ist es nur noch, diese Gewissheit mit Verlautbarungen zu rechtfertigen und zu untermauern.

Der Chor der Brüsseliten

Schauen wir uns doch – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – nur mal die „Brüsseliten“ an, die zu Wort kommen: Da wäre Martin Schulz, der zugunsten der erhofften Kanzlerschaft in Deutschland von seinem Posten als EU-Parlamentspräsident zurückgetreten war. Er hat es nicht nur nicht zum Kanzler geschafft, sondern auch seine Partei, die SPD, die schon bessere Tage gesehen hatte, in ein historisches Tief geführt. Dennoch ist er ihr Vorbeter geblieben.

Dann wären da noch der Altkommunist Asselborn aus dem Zwergstaat Luxemburg, ein ewiger Verfechter europäischer Werte, so wie Viviane Reding. Asselborn zufolge sollte Ungarn einfach von den europäischen Entscheidungsprozessen ausgeschlossen werden, und Reding hat auch nach zehn Jahren nicht den Geist der neuen ungarischen Verfassung verstanden.

Bis heute macht auch Manfred Weber Orbán für seinen gescheiterten Versuch verantwortlich, Kommissionspräsident zu werden. Solange er lebt, wird er ihm das nicht verzeihen können. Nun drängt er die Europäische Volkspartei so weit nach links, wie sie es gerade noch aushält.

Die sozialistische Parlamentsvizepräsidentin der EU, Katarina Barley, sorgt sich am meisten um die Rechtsstaatlichkeit. Sie sagt, es gebe keine andere Geschichte, keine andere Kultur in Osteuropa. Grundwerte, so Barley, seien universell. Kompromisse, findet sie – „das geht bei Werten nicht!“

Barley faselte schon vor einigen Monaten vom Aushungern der Ungarn und Polen, und vor zwei Jahren, als sie noch deutsche Justizministerin war, behauptete sie, die Bürger der ehemaligen DDR seien nicht reif genug für die Demokratie.

Auch das Gebrüll, Pardon, die Stellungnahme des vom Roten zum Grünen gewandelten Danny (Cohn-Bendit) durfte nicht fehlen, der 2011 für die ungarische Medienfreiheit trommelte. In anderthalb Stunden passt schon einiges hinein.

Das Europäische Parlament suchte monatelang nach einer Lösung, wie der Rechtsstaatsmechanismus irgendwie doch noch nachträglich in das europäische Gipfelabkommen vom Sommer hineingequetscht werden könnte. Damit Orbán ja kein Geld bekommt, sondern das EU-Geld nur dorthin fließt, wo es hin muss! Natürlich befürchteten sie ein ungarisches Veto, welches das gesamte Verfahren lahmlegen würde.

Was den Parlamentariern jedoch am meisten weh tut, ist, dass sie nicht hinter die Kulissen blicken können. Die Tagungen des Europäischen Rates sind geheim, es sickert nichts durch, und es ist nicht bekannt, welches Land welchen Standpunkt vertritt. Es sei ein Systemfehler, dass man trotz aller Bemühungen Artikel 7 nicht durchsetzen könne, klagt Freund. Diese Befugnisse müssten dem obersten Gremium entzogen werden. Denn solange die Staats- und Ministerpräsidenten der Nationalstaaten über die wichtigsten Fragen entscheiden, seien alle Bemühungen der Mitglieder, die sich für die Demokratie einsetzen, vergeblich.

Der ungarische Oppositionschor

Daniel Freund reiste letzten Herbst im Auftrag des EU-Parlaments nach Budapest, um Munition gegen Orbán zu sammeln. Er traf sich mit den Oppositionskräften, welche die Rolle der Hauptinformanten in den Sargentini‑, Jourová- und sonstigen Berichten über Ungarn spielen. Er war bei Klubrádió, der Wochenzeitung Magyar Hang, der CEU, im Reich von Gábor Iványi, im Büro des Oberbürgermeisters (das ist eine Neuerung) und im Büro von Transparency International.

Er besuchte auch Felcsút, um das Haus von Lőrinc Mészáros zu besichtigen und die europaweit bekannte Schmalspurbahn zu besteigen. Auf seiner Reise wurde er vom einsamen Parlamentarier Ákos Hadházy begleitet, dem ungarischen Helden des Kampfes gegen die Korruption.

Sie mögen Hadházy im Westen, weil er in ihren Augen ein echter Unabhängiger ist. Sie wissen nicht, unter welchen Umständen er aus der als grüne Partei bekannten LMP geflogen ist. Er ist für sie ein wirklich glaubwürdiger Mann, der weiß, dass Orbán seine Macht mit EU-Geldern ausbaut. Das Geld der deutschen Steuerzahler fließe über EU-Projekte zunächst an den Klempner (Anm.: gemeint ist der Orbán-Vertraute Lőrinc Mészáros), der die Sache dann so lange manipuliere, bis das Geld endlich gewaschen beim Schwiegersohn des Ministerpräsidenten oder dessen Vater, kurzum, bei der Familie Orbán lande.

Nur Bálint Magyar, der ewige Liberale, konnte das noch toppen. Ihm zufolge besteht heute der einzige Unterschied zwischen Ungarn und den zentralasiatischen Mafiastaaten darin, dass hier die Oligarchen nicht mit Öl und Gas, sondern mit EU-Geldern gemästet werden.

Diese Art der Meinungsmache ist ein alter, wohl bekannter propagandistischer Trick. Zunächst wird als Ausgangsthese eine spektakuläre Tatsachenbehauptung aufgestellt, ein Stückchen Wahrheit geboten, das dann je nach Konzeption verformt, verbogen, verändert, vertuscht oder widerlegt werden kann. Falsche Argumente vermischen sich mit Elementen der Realität, die endgültige Schlussfolgerung ist, was auch immer genehm ist, in diesem Fall: Orbán schränkt die Freiheit ein, verletzt europäische Werte und baut eine Diktatur auf.

„Überall herrsche verdeckte Angst“

Betrachten wir die Frage der Pressefreiheit als Beispiel: Die Filmcrew besucht die Redaktion von Magyar Hang. Dort erzählt ihnen der Chefredakteur, dass Orbán am Tag nach den Wahlen 2018 hinter den Kulissen für die Schließung der altehrwürdigen Tageszeitung Magyar Nemzet gesorgt habe und dort etwa 100 Journalisten entlassen ließ. Ich erinnere mich noch, dass auch die deutsche Presse die damaligen Geschehnisse so interpretierte.

Damals wie heute erwähnten sie nicht, dass die Zeitung im Besitz von Lajos Simicska war, der nach dem berühmten G‑Day 2015, getrieben vom Orbán-Hass, die rechtsradikale Partei Jobbik in eine regierungsfähige Oppositionskraft verwandeln wollte. Der Plan scheiterte und Simicska machte enttäuscht seine Nachrichtenportale dicht. Nicht nur die Magyar Nemzet, sondern auch die Heti Válasz, HírTV und Lánchíd Rádió ereilte dieses Schicksal. Das alles Orbán zuzuschreiben, ist einfach eine Lüge.

Das Nachfolgeblatt Magyar Hang kämpft um sein Überleben, sie bekommen keine Anzeigenaufträge von der Regierung (warum auch?). Abonnenten gebe es keine, weil die Menschen auf dem Land Angst hätten, eine unabhängige Zeitung zu bestellen, so wie die Druckereien Angst hätten, die Zeitung zu drucken. Überall herrsche verdeckte Angst. Deshalb müssten sie das Blatt in der Slowakei drucken lassen, und nicht etwa weil dort zufällig die Druckkosten wesentlich günstiger sind.

Der Besuch in der Redaktion ermöglicht es Freund, über das Mediengesetz, die Abschaffung der unabhängigen Presse und die Vereinigung der Zeitungen und Zeitschriften in einer Stiftung zu dozieren. Er vergisst dabei zu erwähnen, dass es im großen Deutschland auch Medienimperien gibt und dass einige wenige Stiftungen den fünftgrößten Medienmarkt der Welt in ihren Händen halten, und dass sie auch Marktanteile in Ungarn besitzen, wenn auch nicht mehr so große, wie sie sich unmittelbar nach der Wende besorgt hatten.

Seit den 1930ern ist in Europa keine Uni mehr weggejagt worden

Der Besuch in der CEU ist ebenfalls eine Analyse wert. Laut Rektor Michael Ignatieff vertritt die Universität keine Ideologie. Seit 25 Jahren sei sie in Budapest tätig und nun durch eine willkürliche bürokratische Richtlinie gezwungen, Budapest zu verlassen. Die CEU habe versucht, die juristischen Anforderungen zu erfüllen, aber sie hätte sich mit Orbán einigen müssen und Orbán habe den Vertrag nicht unterschreiben wollen. Sie erhielt ein Ultimatum und habe dann angeblich Budapest innerhalb weniger Tage verlassen müssen.

Seit den 1930er Jahren sei es in Europa nicht mehr vorgekommen, dass eine Universität irgendwo weggejagt wurde! Der Umzug selbst habe 200 Millionen Euro gekostet, aber nicht das tue dem Rektor weh. Was ihm wirklich weh tue, sei die Verletzung der allgemeinen akademischen Freiheit. Und siehe da, die Orbán-Autokratie schränkt, so scheint es, noch weitere Universitäten ein: Hier wird gleich auf das Beispiel der seit Monaten für ihre Autonomie kämpfenden Schauspieluniversität verwiesen.

Auch hier jongliert der Film mit einigen Körnchen Wahrheit, und verschweigt gezielt andere. So zum Beispiel, dass die CEU zwei Campusse hat, einen in Wien und noch immer einen in Pest, in der Nádor utca.

Nach diesem Schema ist der gesamte Film aufgebaut. Als wahrer Masochist habe ich ihn mir zweimal angeschaut, um einige interessante Erkenntnisse zu gewinnen. Der Film wettert gegen Orbáns Politik und versucht, europäische Bürger zu manipulieren. Orbán sei das schwarze Schaf, das die europäische Solidarität ignoriert, europäische Werte in Frage stellt und verhindert, dass die Coronahilfen rechtzeitig zu den in Not geratenen Ländern kommen. Er halte Europa in Schach, notfalls so lange, bis Merkel und Deutschland am Ende nachgeben. Er stört die Brüsseler, und sie geben es auch noch zu: Orbán sei selbstbewusst, er weiche nie Diskussionen aus, er vertrete seinen Standpunkt bis zum Äußersten. Er untergrabe die Europäische Union in einer Weise, die niemals gegen die Regeln verstößt.

Orbán vertritt ein anderes Modell der Politik, weil er mit offenen Karten spielt und nicht herumeiert. Das Gefährlichste ist für sie jedoch, dass sich ein ganzes Land in den Händen dieses Mannes befindet. Was passiert, wenn ihn noch mehr unterstützen würden, wie schon jetzt die Polen oder die Visegrád-Länder? Was würde dann passieren?

„Auf dem EU-Gipfel tanzen bereits 26 Länder nach Orbáns Pfeife. Man könnte fast beeindruckt sein“, sagt Daniel Freund. „Aber es ist einfach nur zum Fürchten!” Deswegen ist dieser Film gemacht worden. Und ich fürchte, es wird noch mehr davon geben. Orbán steht den politischen Kräften, welche sich nach den Vereinigten Staaten von Europa sehnen, im Weg. Und sie haben derzeit die Mehrheit in Europa."

Quelle: Unser Mitteleuropa

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