Westdeutsche Zeitung: Geiseldrama im Irak
Archivmeldung vom 04.04.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 04.04.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittImmerhin, sagen die Realisten unter uns und gewinnen damit dem neuen Drohvideo der irakischen Geiselnehmer etwas Positives ab, immerhin sei das ja ein Lebenszeichen. Das aber ist dann schon alles, was sich an Trost daraus ziehen ließe.
Die
Inszenierung des zweiten Videos ist ebenso gespenstisch wie die des
ersten: Der Sohn schweigt mit gesenktem Kopf, die 61-jährige Mutter
fleht um sein und ihr Leben. Die politischen Forderungen nach einem
Abzug aus Afghanistan sind auch diesmal ebenso aufgesetzt wie
unrealistisch. Auch wer den gesamten Afghanistan-Einsatz für ein nur
notdürftig mit Menschenrechts-Rhetorik verschleiertes
neokolonialistisches Abenteuer hält, kann politische Entscheidungen
nicht zum Spielball von Verbrecherbanden machen lassen. An dieser
Haltung lässt die Bundesregierung keinen Zweifel, das weiß und
versteht auch die deutsche Bevölkerung, und das wissen selbst die
Kidnapper mit dem blumig-verlogenen Namen "Pfeile der
Rechtschaffenheit".
Wie aber gehen wir mit dieser Erpressung um? Wer sich nichts
vormacht, registriert Abstumpfung, genährt aus Ohnmacht und
Hilflosigkeit, Gewöhnung durch Wiederholung. Machte der Fall Osthoff
noch über Wochen Schlagzeilen, führte das Schicksal der beiden
Leipziger Ingenieure noch zu Mahnwachen und Lichterketten, scheint
die Geiselhaft der deutsch-irakischen Familie nur noch dann in den
Blick der Öffentlichkeit zu geraten, wenn es wirklich nicht mehr
anders geht. Das hat wohl nichts mit Gleichgültigkeit oder gar
Hartherzigkeit zu tun. Es ist vielmehr die Konsequenz aus der
Wiederholbarkeit des Verbrechens, die Beruhigung aus dem scheinbar
gesicherten Wissen, dass am Ende eine Lösegeldzahlung die Leben wohl
retten werde.
Daran arbeitet der Krisenstab. Und wir haben keinen Anlass, am
Einsatz der Verantwortlichen zu zweifeln. Zur vollen Wahrheit gehört
aber auch, dass der Freikauf nicht zur Routine werden darf. Wer mit
dem Geldkoffer jederzeit und bedingungslos bereitsteht, schafft den
Markt, der die Geiselnahme erst zum lukrativen Geschäft aufblühen
lässt. Bisher hat sich Deutschland im Zweifel immer für die Lösung
entschieden, die Leben rettet. So wird es, wenn es denn irgendmöglich
ist, auch diesmal sein - ohne jede politische Konzession.
Quelle: Pressemitteilung WESTDEUTSCHE ZEITUNG