Was sind „Shitbürger“? Lektüre eines Spiegel-Bestsellers
“Die Lyrische Beobachtungsstelle” von Paul Clemente: "Politische Krisen fordern neue Begriffe. Publizistische Wortschmiede haben dann Hochkonjunktur. Jeder in der Hoffnung, dass seiner Wortschöpfung der Durchbruch gelingt. Schließlich steuern Wörter unser Denken. Auch Welt-Chefredakteur Ulf Poschardt hat sich an dem Spiel beteiligt und den „Shitbürger“ in die Diskurs-Arena gejagt. Okay, „Shit“ kommt immer gut. Schon vor sieben Jahren hatte David Graeber den Begriff „Bullshitjobs“ etabliert. Ob Poschardt da mithalten kann? Chancenlos ist er nicht. Immerhin hat sein „Shitbürger“-Sachbuch die Spiegel-Bestsellerliste gestürmt. Bevor wir dessen Wert oder Unwert überprüfen, hier einige Background-Infos zum Autor:"
Clemente weiter: "Im Bereich der Poptheorie nimmt Ulf Poschardt eine Sonderstellung ein. Zwar gilt auch ihm die Pop-Kultur als subversiv, aber nicht im Sinne der Linken wie Diedrich Diederichsen. Nein, Poschardt steht auf Seiten der Libertären. Motto: Coole Menschen wollen keine Opfer sein. Streng protestantisch erzogen, glaubt er sämtliche Mythen der Leistungsgesellschaft.
Entsprechend sein beruflicher Werdegang: Während Pop-Linke meist in Szene-Blättern wie „Spex“ oder „Sounds“ debütierten, startete Poschardt im Magazin der „Süddeutschen Zeitung“. Das ging nicht lange gut: Nach ungeprüfter Publikation von Fake-News wurde er gefeuert. Poschardts Versuch, eine deutsche Version von „Vanity Fair“ zu etablieren, besaß ebenfalls kurze Lebensdauer. Seitdem tummelt er sich im Springer-Konzern, unter anderem als Chefredakteur der Tageszeitung „Die Welt“. In zahlreichen Kommentaren preist er ökonomische „Eigenverantwortung“ und ballert gegen „soziale Hängematten“. Müsste man ihn einer Partei zuordnen, man läge bei der FDP gewiss nicht falsch...[weiterlesen]
Quelle: apolut von Paul Clemente