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Börsen-Zeitung: Eine neue verlorene Dekade

Archivmeldung vom 04.07.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 04.07.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

An die Finanzmärkte ist in den vergangenen Wochen der Realitätssinn der Anleger zurückgekehrt. Die Vorstellung einer V-förmigen Konjunkturerholung, die sich durch einige tatsächliche und zahlreiche vermeintliche "Green Shoots" - also zarte Frühlingsboten in Gestalt freundlicher konjunktureller Frühindikatoren - in den Köpfen der Investoren festsetzte, hat sich als Illusion erwiesen.

In der Folge ist der Dax von einem Stand jenseits der 5100 Punkte per Anfang Juni auf jetzt rund 4700 Punkte abgesackt. Möglicherweise geht es noch weiter abwärts.

Dies dürfte jedoch nicht darauf hinauslaufen, dass mit einem Absturz der Märkte oder gar mit einem neuen Ausloten der Tiefpunkte der Krise, wie es sie im Frühjahr gegeben hat, zu rechnen ist. Jedenfalls nicht wenn man das derzeit wahrscheinlichste Szenario zugrunde legt. Es könnte jedoch auch ganz anders kommen. Investoren sollten sich in der aktuellen Situation, die nach wie vor durch die Krise geprägt ist, mit Worst-Case-Szenarien auseinandersetzen und im Sinne eines "Crash-Tests" überprüfen, wie hoch ihre Verluste in derartigen Situationen wären.

Bereits in dieser Zeitung vorgestellt worden ist die Perspektive, dass es aufgrund der überreichlichen Liquiditätsversorgung der Märkte durch die Notenbanken und der großen Schwierigkeiten bei der Beseitigung der Überschussliquidität in den nächsten Jahren zu einer Reihe von Überbewertungsblasen kommen könnte, die dann in vielleicht fünf Jahren in die nächste große Finanzkrise münden.

Ein ganz anderes Szenario erregt derzeit vor allem bei US-Anlegern erhebliches Aufsehen. Aufgebracht haben das Thema zwei renommierte Ökonomen, nämlich Barry Eichengreen von der University of California in Berkeley und Kevin O'Rourke, Professor am Trinity College in Dublin. Sie warnen, dass es verblüffende Übereinstimmungen zwischen der gegenwärtigen Entwicklung makroökonomischer Schlüsselgrößen gibt und derjenigen nach dem Crash von 1929, die dann in die Große Depression der folgenden Jahre mündete. Wenn die Experten recht haben, müssen Anleger die Möglichkeit einer tiefgreifenden Depression in ihr Anlagekalkül zumindest mit einbeziehen und daher ihre Portfolios deutlich konservativer ausrichten als normalerweise gegen Ende einer Rezession.

Auffällig ist jedenfalls, dass, wenn man die Fieberkurven aus den beiden Zeitabschnitten übereinanderlegt, die weltweite Industrieproduktion aktuell in gleich starkem Maße absackt wie in den dreißiger Jahren. Beim Volumen des Welthandels und auch bei den Kursniveaus der Aktienmärkte seien die Einbrüche sogar deutlich dramatischer und rascher erfolgt als in der Krise vor 80 Jahren. Den beiden Ökonomen zufolge ist erst ein Jahr einer möglicherweise erneut zehn Jahre dauernden Depression vorüber. Es drohe damit wie in den dreißiger Jahren eine aus ökonomischer Sicht verlorene Dekade.

Alten Fehler wiederholt

Nun lässt sich gegen eine solche Argumentation einwenden, dass die Geldpolitik der Notenbanken und die Fiskalpolitik der Regierungen aktuell eine ganz andere ist als zur Zeit der Weltwirtschaftskrise, als schwere Fehler gemacht wurden. Hier kommt US-Nobelpreisträger Paul Krugman ins Spiel. Er argumentiert, dass wir uns längst in einer Liquiditätsfalle befinden, in der konventionelle Geldpolitik ihre Wirkung global eingebüßt hat. Die unkonventionellen Maßnahmen der Notenbanken sowie die Rettungs- und Konjunkturpakete der Regierungen seien zwar goldrichtig gewesen. Sie würden jetzt aber schon wieder zurückgefahren.

Genau dieser Fehler sei auch in den dreißiger Jahren gemacht worden, als Präsident Franklin D. Roosevelt den "New Deal" abbrach und auf Haushaltskonsolidierung umschaltete, flankiert von einem steigenden Leitzins der Fed. Dies habe wieder zurück in die Rezession geführt. Auch Krugman spricht daher von einer verlorenen Dekade, die uns droht.

Mit Blick auf diese Gefahren liegen Privatanleger nicht falsch, wenn sie zwar noch nicht wieder auf Krisenstimmung umschalten, sich aber mental darauf einstellen, notfalls aus risikoreicheren Assetklassen wie Aktien, Emerging Markets, Unternehmensbonds, Rohstoffen etc. rasch wieder auszusteigen.

Quelle: Börsen-Zeitung

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