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Berliner Morgenpost: Die Grünen fliehen vor Lafontaine nach Jamaika

Archivmeldung vom 12.10.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 12.10.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Vielleicht wird eines Tages in den Geschichtsbüchern erklärt, wie viel Zufall und wie viel Überlegung bei den Entscheidungen Oskar Lafontaines im Spiel waren. Klar ist schon heute: Die Folgen sind fast immer beträchtlich - aber machtpolitisch nicht immer zu Ende gedacht.

1995 stürzte der Saarländer den glücklosen SPD-Chef Scharping und bereitete jenes Erfolgsduett aus "Innovation und Gerechtigkeit" mit Gerhard Schröder vor, mit dem die SPD plus Grüne zurück an die Macht im Bund gelangte. Wenig später trollte sich der Kurzzeitfinanzminister und fügte der SPD damit jenen Riss zu, den er mit Gründung der Linkspartei zu einem Canyon weitete. Am Ende stand das demütigende Resultat der Sozialdemokraten bei der Bundestagswahl 2009, aber auch die zementierte Opposition zweier verwirrter Parteien ohne Machtperspektive. Das Führungsvakuum der Linkspartei unter dem clownesk-gespenstischen Gregor Gysi wird schon bald offensichtlich. Als habe er seine Mission erfüllt, trollt sich Lafontaine nun wieder und verursacht erneut beträchtliche Kollateralschäden. Denn mit seiner Rückkehr an die Saar verhindert Lafontaine ausgerechnet in seinem Heimatland das erste rot-rot-grüne Bündnis im Westen. Keine Frage, Lafontaines diabolischer Faktor beflügelte die Entscheidung der Saar-Grünen, lieber das kulturell ungewohnte Jamaikabündnis zu riskieren, als sich von "Lafos" Linken nasführen zu lassen. Es ist schon Ironie für Feinschmecker, wenn ausgerechnet einer der begnadetsten Populisten der Republik machtpolitisches Strategievermögen eines Kreisligisten demonstriert. Denn Lafontaine treibt die Grünen geradezu aus dem gelernten linken Lager in die Mitte und ermöglicht dem einstigen Partner nun, seine Machtoptionen auszuweiten. Nur in der Mitte wird die dramatisch verbürgerlichte Öko-Partei dauerhaft erfolgreich sein. Ob Atomkraft, Klimaschutz, Gentechnik oder gutes Essen - grüne Kernthemen sind ebenso in den Reihenhäusern der Republik angekommen wie das Personal. Trittin, Künast, Roth, Özdemir sind keine Schreckgespenster, sondern gehören zum Inventar von Talk und "Tagesschau". Bis zu Merkel ist es nicht mehr weit. Nur mal angenommen, die FDP erfüllt die gigantischen Erwartungen nicht, die derzeit auf ihr lasten, und manövriert sich bis 2013 wieder unter zehn Prozent. Dann stünden die Grünen als Koalitionspartner der Union bereit, sofern sie noch ein Paar Prozente in der linksliberalbürgerlichen Mitte dazu gewinnen. Dafür werden die Streithähne von SPD und Linkspartei schon sorgen. Und Jamaika kann ja durchaus auch ein Modell sein. Im Saarland wird nun erstmals jener lange tabuisierte Grenzübertritt probiert, gleichsam als Experiment für das ganze Land. Verlassen die Grünen aber das linke Lager, schwinden die künftigen Chancen von SPD und Linken dramatisch. Ausgerechnet Lafontaine wird womöglich eines Tages als Vorbereiter dieser neuen bürgerlichen Mehrheit wahrgenommen.

Quelle: Berliner Morgenpost

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