Die Leipziger Volkszeitung zur Frankfurter Buchmesse
Archivmeldung vom 10.10.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 10.10.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Frankfurter Buchmesse stößt an ihre Grenzen. Äußerlich zunächst. Auf rund 172.000 Quadratmetern ist die Kapazität der Hallen ausgeschöpft. Mehr geht nicht. Wenn dem nichts mehr hinzuzufügen ist, bleibt die Frage, ob es anders gehen kann.
Neben erneuten Rekordzahlen wirft Messe-Chef
Juergen Boos das Wort "Inhaltsmesse" in die Runde, verweist auf die
bedeutendste Ansammlung von Gedanken und Ideen und konstatiert das
Ende jener Zeiten, in denen die Frankfurter Bücherschau "als
Eventmesse wahrgenommen und genutzt wurde".
121.267 Neuerscheinungen werden präsentiert; sie brauchen
Botschafter: Paten, Manager, Übersetzer. Die Leipziger Lese-Schau im
März und die Frankfurter Geschäfte im Herbst, sie teilen das Jahr und
strukturieren den Handel. Sie werfen ein Schlaglicht auf das Kulturgut
Buch und stecken gleichermaßen den politischen, wirtschaftlichen, den
gesellschaftlichen Rahmen ab. Bestenfalls im Bestreben, ihn zu
erweitern.
Für die katalanischen Autoren, die als Ehrengäste begrüßt werden, ist
es der Ausbau ihrer Bekanntheit bei gleichzeitiger Besinnung auf
Tradition und Behauptung nationaler Identität. In ihrer Modernität
ist die katalanische Kultur dabei willkommene Relativierung globaler
Vereinheitlichung und digitaler Grenzenlosigkeit. Die Querelen um die
Nichtteilnahme spanisch schreibender Katalanen sollten nicht
erdrückende Botschaft dieses Auftritts sein.
Kostbarstes Gut ist die Aufmerksamkeit, und in deren Zentrum gehört:
Literatur als Ausdruck vergangener wie gegenwärtiger Kultur. Zu der
gehören gleichermaßen hohe Dichtkunst, sich selbst genügende
Unterhaltung, Streitsschriften, Analysen, Biografien ... Der Abgesang
auf Gedrucktes ist leiser geworden. In 50 Jahren werde es keine
Buchhandlungen mehr geben, unken nun Branchenkenner. Vielleicht.
Vielleicht spielt es gar keine Rolle, welches Medium die Inhalte
trägt. Vielleicht ist das neue E-Book, so groß wie ein Taschenbuch,
die Zukunft. Vielleicht aber auch nur eine Variante von vielen. Die
Buchhändler jedenfalls erwarten im laufenden Jahr ein Wachstum von
rund vier Prozent. Die Zahl des Lesenden ist nicht wie befürchtet
rapide gesunken.
Weil Sprachkultur und deren Wahrnehmung immer auch politisch bestimmt
sind, klingt manche Zahlen-Euphorie nach dem berühmten Pfeifen
im Wald. Aus gutem Grund sind neben dem diesjährigen Schwerpunkt
Digitalisierung die Themen Bildung und Alphabetisierung mehr als ein
begleitendes Fachprogramm. Unter ihrem Dach werden Grundlagen des
gesellschaftlichen Klimas diskutiert, geht es um weltweite
Chancengleichheit, ohne die die Freiheit des Wortes Phrase bleibt,
jede Demokratie an ihre Grenzen stößt.
Die Impulse und Entdeckungen dieser 59. Frankfurter Buchmesse werden
bei allen Superlativen auf die Essenz verweisen: Erkenntnisgewinn zum
und durch Vergnügen. Gefährdet ist nicht das Buch, gefährdet sind
Lust und Recht auf Bildung. Bedroht von Anmaßung, Ignoranz und
geistiger Verwahrlosung. Bücher sind selbst Botschafter. Sie
überwinden Grenzen.
Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung