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BERLINER MORGENPOST: Einfach mal nichts tun

Archivmeldung vom 27.10.2018

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 27.10.2018 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott

"Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. Und Gott sah, dass das Licht gut war. Da schied Gott das Licht von der Finsternis und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht. Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag." So schlicht und jedermann verständlich steht der Ursprung von Tag und Nacht - also unserer elementarsten Zeitwahrnehmung - in der Bibel. Die astronomische Erklärung des Hell-Dunkel-Phänomens ist nicht wesentlich komplizierter: Unsere gute alte Erde dreht sich um die Sonne und binnen eines Tages einmal um sich selbst.

Als Zeit für den Menschen immer wichtiger wurde, kamen als Feinskalierung noch Stunden und Minuten. Als Mitte des Tages wurde der höchste Stand der Sonne definiert. Diese simple, auf kosmischen Prinzipien basierende Regel funktionierte, bis sie Politikern in die Hände fiel. Im Ersten Weltkrieg waren es das Deutsche Reich und die ähnlich tickende K.-u.-k.-Monarchie, die mit einem Dreh an der Uhr Energie für die Front einsparen wollten und so die Sommerzeit erschufen. Nun soll laut Heraklit der Krieg zwar der Vater aller Dinge sein. Manchmal zeugt er aber auch Bastarde. Energie wurde weder im Ersten noch im Zweiten Weltkrieg durch die befohlene Zeitumstellung gespart - und auch nicht nach der Wiederbelebung der Idee nach der Ölkrise von 1973. Stattdessen werden viele Menschen zweimal jährlich von einem Mini-Jetlag geplagt - und müssen einen Vormittag lang alle Uhren in Haushalt und Auto umstellen. In Zeiten von Europa-Skepsis und Politikmüdigkeit hatte EU-Kommissionspräsident Juncker die glorreiche Idee, die - wie Umfragen ergaben - zunehmend unpopuläre Zeitumstellung abzuschaffen. Und zwar schnell.

Eigentlich sollte sie jetzt zum vorletzten Mal passieren. Eine einfache Geschichte, könnte man meinen. Allerdings sind die einfachen Sachen oft die schwierigsten. Das gilt nicht nur beim Pasta-Kochen, sondern vor allem in der Politik. Hat sie einmal etwas in den Fängen, gibt sie es so schnell nicht wieder her. Deshalb sieht es auch mit dem raschen Ende der Zeitumstellung schlecht aus. Denn die meisten EU-Mitgliedsstaaten haben sich noch gar nicht selbst entschieden, wie sie es in Zukunft handhaben wollen. Soll überhaupt etwas geändert werden oder auf immer Sommerzeit gelten - zugunsten der Nachtschwärmer und entgegen der Planetenbewegung - oder doch die frühere Normalzeit, bei der tatsächlich in der Mitte des Tages Mittag ist? Von Portugal bis Polen wird überlegt und diskutiert. Derweil tickt die Uhr, und es wird immer unwahrscheinlicher, dass bis zum Frühjahr die notwendige Einstimmigkeit der Mitgliedsländer steht.

Aber nur Mut: Europa lebt von Kompromissen und hat sie noch meistens zustande gebracht. Vermutlich wird nach mehreren Verhandlungsrunden, dramatischen Nachtsitzungen und nach sogenanntem Beichtstuhlverfahren mit widerspenstigen Regierungschefs beschlossen, einmal im Quartal die Chronometer um 30 Minuten vor- oder zurückzudrehen. Zuvor gab es gegenseitige Zugeständnisse bei Milchquoten, Feinstaubgrenzwerten und der Mindestdicke von Fahrradreifen. Dem EU-Parlament wird das Recht eingeräumt festzulegen, ob Sommer- oder Winterzeit in den nächsten Monaten gelten soll. Die Briten sind dann sowieso schon raus, und Polen und Ungarn weigern sich, ihre Uhren vorzustellen. Gewiss nur ein böser Traum. Aber ach, hätten die Politiker doch nur die Finger von der Uhr gelassen! Nichts tun ist so einfach. Aber auch das will gelernt sein.

Quelle: BERLINER MORGENPOST (ots) von Egbert Nießler

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