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Die Kunst des Führens

Archivmeldung vom 11.02.2020

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 11.02.2020 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott

Der angekündigte Rückzug von Annegret Kramp-Karrenbauer vom CDU-Vorsitz kommt völlig unerwartet, aber in der Sache nicht ganz überraschend. Eine Serie von Pleiten, Pech und Pannen hatte die Nachfolgerin von Angela Merkel an der Parteispitze und Anwärterin auf die Kanzlerkandidatur zur Bundestagswahl 2021 seit etwas mehr als einem Jahr begleitet.

Im Dezember 2018 wählten sie die CDU-Delegierten in das Führungsamt. Herausforderer Friedrich Merz unterlag nur knapp. Die gespaltene Partei ist seitdem nicht zur Ruhe gekommen. Kramp-Karrenbauer misslang es, die verschiedenen Flügel zu einen. Beim Parteitag im Dezember 2019 sah sie sich genötigt, mit einer informellen Vertrauensfrage die Delegierten hinter sich zu bringen. Das Wahldebakel in Thüringen hat nun gezeigt, dass dies von kurzer Dauer war: Die frei gewählten Abgeordneten der CDU scherten sich nicht um die Direktiven aus Berlin und der Bundesvorsitzenden.

Mit der CDU hat nun innerhalb kurzer Zeit die zweite Volkspartei ein veritables Führungsproblem: Neben die Kanzlerin auf Abruf ist eine Parteivorsitzende auf Abruf getreten. Die große Koalition aus CDU, CSU und SPD steht zwar formal nicht in Frage - wie die Beteiligten beteuern -, die Instabilität der politischen Lage wabert aber von Erfurt nach Berlin herüber. Bis zum Sommer wird die CDU nach dem selbst gesteckten Fahrplan mit einem innerparteilichen Machtkampf um Kanzlerkandidatur und Parteivorsitz beschäftigt sein. Von der SPD hat sie gelernt, dass langatmige Wahlkampftouren durch das Land und eine Mitgliederbefragung nicht die ersehnte Klarheit und Festigung der Führung zur Basis bringen. Bei den Sozialdemokraten ging aus dem Prozess die Verlegenheitslösung eines Spitzenduos aus einem Rentner und einer Hinterbänklerin hervor. Olaf Scholz, der als Vizekanzler der geborene Parteivorsitzende hätte sein müssen, hatte das Nachsehen.

Demokratie ist kein Schlaraffenland, in dem sich jeder etwas wünschen darf und für alle alles in Erfüllung geht. Dies scheint inzwischen jedoch Erwartungshaltung derjenigen zu sein, die ihren Frust in Wahlen in die Extreme wie die AfD lenken und es den sogenannten Etablierten einmal so richtig zeigen wollen. Dazu trägt das Verhalten der Regierungsverantwortlichen selbst bei. Sie schüren diese Haltung mit Sozialversprechen wie der Grundrente oder der Mütterrente. Sie belasten damit Generationen, die zahlen müssen, wenn die Urheber längst aus dem Amt sind. Union und SPD nehmen sich da nicht viel. In zehn Jahren Hochkonjunktur ist die Sozialquote im Bundeshaushalt gestiegen. Was soll erst im Abschwung geschehen, wenn staatliche Hilfe wirklich nötig ist?

Demokratie ist ein Mechanismus zum Interessenausgleich, bei dem die Mehrheitsmeinung sich durchsetzt und berechtigte Minderheitsinteressen institutionell geschützt werden. Das System reüssiert nur bei Führungsstärke, Eloquenz und Überzeugungskraft des Spitzenpersonals. Die Protagonisten müssen Wähler hinter sich bringen und für Mehrheiten sorgen. Verschiedene Wahlen haben gezeigt, dass es die Menschen sind und nicht die Parteien, die gegen den Trend Vertrauen schaffen und Wähler binden: Gelungen ist dies Winfried Kretschmann (Grüne) in Baden-Württemberg, Malu Dreyer (SPD) in Rheinland-Pfalz, Daniel Günther (CDU) in Schleswig-Holstein und nicht zuletzt Bodo Ramelow (Linke) in Thüringen. Die irrige Idee der neuen SPD-Spitze, auch unbekannte Gesichter aus der dritten Reihe könnten die Kanzlerkandidatur übernehmen, passt zu einer Spaßgesellschaft, die ihre Amüsement aus stetiger Abwechslung zieht. Regierungserfahrung ist auf diesem Posten schon gefragt.

Die Kunst des Führens einer Volkspartei liegt darin, die verschiedenen Strömungen innerhalb der Partei zu einen. Dies gelingt den Volksparteien - auch hierzulande - immer weniger. Kramp-Karrenbauer hat es bislang nicht geschafft. Die SPD hat sich vom Verlust ihres linken Flügels nicht mehr erholt, nachdem nach der Agenda 2010 von Gerhard Schröder zentrale Vertreter der linken Strömung aus der Partei austraten, sich abspalteten und mit der früheren SED-Nachfolgepartei PDS zur Linken vereinten. Auch in der CDU steckt Frust. Beim Ruck nach Links in die Mitte blieb der konservative Flügel auf der Strecke. Diesen Platz machte sich die AfD zunutze und zog enttäuschte Unionswähler auf ihre Seite. Nur die CDU selbst kann sie ihr wieder streitig machen.

Alle Krisen haben auch ihr Gutes. Eine Lehre daraus ist, dass die Lippenbekenntnisse der Abgrenzung zu extremen Parteien wie der AfD konkret werden müssen. In Thüringen ist die Aufgabe sehr konkret. Als weitere Erkenntnis kommt hinzu, dass die AfD gezielt bislang etablierte Regeln missachtet und dies auch weiterhin tun wird. Es gehört zu ihrer miesen Taktik. Da helfen auch keine Aufrufe, das Tricksen zu lassen. Einen eigenen Kandidaten aufzustellen - wie im Landtag in Erfurt - und dann einen anderen zu wählen, entspricht nicht den Gepflogenheiten.

Schließlich ist es mit Abwarten nicht getan. Die alten demokratischen Verhältnisse kehren nicht zurück. Der Zerfall der Volksparteien und das Erstarken der Ränder ist kein deutsches Phänomen. Es ist hierzulande sogar erst später angekommen als andernorts. Parlamente mit einer größeren Zahl von Fraktionen und mehr Diversität werden an der Tagesordnung sein. Dies wird auch hierzulande neue Formen der Führung erfordern - etwa über Minderheitsregierungen. Dies zu gestalten, verlangt politische Klugheit und gute Ideen.

Quelle: Börsen-Zeitung (ots)  von Angela Wefers


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