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Börsen-Zeitung: Ansteckungsrisiko

Archivmeldung vom 20.10.2018

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 20.10.2018 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott

Die Haushaltsplanung der instabilen römischen Regierungskoalition stößt in Brüssel auf Ablehnung - und auch an den Finanzmärkten. Der Risikoaufschlag zwischen zehnjährigen Bundesanleihen - Triple-A-geratet - und entsprechenden italienischen Papieren - die noch zwei Stufen über Ramsch eingestuft werden - ist zum Wochenschluss zeitweise auf 338 Basispunkte gestiegen. Das ist der höchste Stand seit März 2013.

Ende der neuen Woche wird S&P Global Ratings neu darüber entscheiden, wie Italien bonitätsmäßig bewertet wird. Eine Mehrheit der Marktakteure geht von einer Senkung des Ausblicks aus. Moody's und Fitch haben ihren Ausblick bereits auf "negativ" gesenkt. Längerfristig wird befürchtet, dass die italienischen Staatspapiere dann ihre anlagewürdige Einstufung verlieren könnten. Die Folge wäre ein enormer Verkaufsdruck, da viele institutionelle Investoren dann gezwungen wären, die Buoni del tesoro poliennali aus dem Portfolio zu nehmen.

In der kommenden Woche wird aber auch die Europäische Zentralbank (EZB) wieder ihre Zinssitzung abhalten. Spekuliert wird, ob die gestiegene Inflationsrate die Währungshüter dazu bewegen könnte, sich etwas "hawkisher" zu äußern oder mehr Details zur Normalisierung der Geldpolitik zu geben, etwa, ob auslaufende Anleihen reinvestiert werden.

Eine straffere europäische Geldpolitik ist wegen der zahlreichen Risikofaktoren für die Konjunkturentwicklung - der Handelsstreit ist nur einer davon - jedoch unwahrscheinlich. Darüber hinaus hat das Thema Italien hohe Qualität, zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung an den Märkten zu werden.

Wer auf steigende italienische Renditen wettet, hat derzeit eine Reihe schwer widerlegbarer Argumente zur Hand. Da ist die steigende Wahrscheinlichkeit, dass es nach einer außergewöhnlich langen Phase des Wachstums zu einer Abkühlung der Konjunktur kommt. Dies würde auch das Wachstum Italiens begrenzen. Das Land leidet ohnehin bereits unter einem niedrigen Potenzialwachstum. Dadurch besteht die Gefahr, dass der Primärüberschuss, den Italien in den vergangenen Jahren stets erzielen konnte, ins Negative dreht. Der Haushaltssaldo wäre dann noch tiefer im Minus als geplant, der Schuldendienst noch belastender.

Andererseits könnte Italien am Markt Probleme bekommen. Das Auslaufen des EZB-Anleihekaufprogramms dürfte die Finanzierungskosten tendenziell ohnehin etwas erhöhen. Die Gretchenfrage ist, welche Risikoprämie der Markt bald von Italien verlangt. Laut UBS sind die italienischen Staatstitel so gepreist, als wären sie Ramsch. Doch neigen Märkte zum Überschießen. Sollten tatsächlich in großem Stil Investoren (auch Banken) italienische Anleihen abstoßen, stiegen die Rendite weiter, obwohl dies durch die - nachlaufende - Ratingentwicklung nicht gedeckt ist. Ein anderes Risiko wäre ein "Käuferstreik", ein Szenario, das etwa die DekaBank für möglich hält, sollte Italien sein Investment-Grade-Rating verlieren.

Weil viele italienische Investoren große BTP-Bestände halten, würde ein Einbruch der Kurse zu einem nationalen Teufelskreis führen, der aber das Potenzial hat, sich über den Bankensektor als Ansteckungskanal auf ganz Europa auszudehnen. Nach wie vor leiden italienische, aber auch viele andere europäische Banken unter schwacher Profitabilität. Da bleibt wenig Spielraum für Probleme.

Dass sich am Freitag der Chef von Ubi Banca bemüßigt sah zu sagen, sein Institut habe in den Stresstests der europäischen Bankenaufsicht EBA nie schlecht abgeschnitten und werde damit nun auch "nicht beginnen", spiegelt die Nervosität, die in Italiens Finanzsektor herrscht. Laut der Ratingagentur Fitch dürften italienische Banken durch die ausgeweiteten Anleihespreads wahrscheinlich bedeutsame Kapitaleinbußen erlitten haben. Der Banken-Sektorindex ist auf den niedrigsten Stand seit 2016 abgerutscht.

Unter solchen Vorzeichen ist es gut möglich, dass die EZB ihre erste Zinserhöhung seit 2011 hinauszögert. Die Notenbank hat bisher stets erklärt, sie halte die Zinsen bis "mindestens über den Sommer 2019" auf Rekordtief. Laut Reuters wird eine Leitzinsanhebung am Markt nun erst im Oktober 2019 statt im September 2019 erwartet.

Das "mindestens" könnte auch deswegen mehr Gewicht erhalten, weil in der abgelaufenen Woche erstmals deutlich anziehende Renditen in spanischen und portugiesischen Staatspapieren zu sehen waren. Die Ansteckungsgefahr, die von Italien ausgeht, ist real. Dies dürfte auch mit ein Grund dafür sein, dass europäische Aktien nun unter ihrem fairen Wert notieren - wie die Deutsche Bank errechnet hat.

Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Dietegen Müller

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