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Neue Westfälische (Bielefeld): Klare Kante

Archivmeldung vom 10.12.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 10.12.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Manchmal sind es die kleinen Anekdoten, die Bände sprechen. So berichten Gipfel-Beobachter von einem ungarischen Diplomaten, der sich Freitagmorgen mit der Klarstellung beeilte, Ungarn sperre sich keineswegs gegen die Gipfel-Beschlüsse. "Wir sind nicht Großbritannien", betonte er. Und wer will schon Großbritannien sein? Der Außenseiter, der Spielverderber. Der Unbelehrbare. Derjenige, der künftig nicht mehr mitredet in Europa. Und doch macht Camerons Verhalten aus Londoner Perspektive Sinn - vordergründig.

Ein Gutteil des britischen Bruttosozialprodukts wird am Londoner Börsenplatz "erwirtschaftet". Und dort ist europäisches Hereinreden aus britischer Sicht eben höchst unerwünscht. Und wer in Großbritannien will schon wissen, dass der überwiegende Anteil des Londoner Börsengeschäfts nicht in Pfund, sondern in Euro abgewickelt wird? Angela Merkel und Nicolas Sarkozy, bekannt als "Merkozy", haben gut daran getan, beim Gipfel klare Kante zu zeigen. Sie haben die Krisenwerkzeuge geschärft, um in der Schuldenkrise endlich aus der Rolle der Gejagten der Finanzmärkte herauszukommen und wieder selbst die Richtung vorzugeben. Das war eine schwere Geburt und zugleich eine taktische Meisterleistung des deutsch-französischen Gespanns. Kann es wirklich sein, dass endlich (fast) alle begriffen haben sollen, dass es lichterloh brennt in der Europäischen Union? Aber was haben die Staats- und Regierungschefs eigentlich beschlossen? Haushaltsdisziplin, Schuldenbremsen und automatische Sanktionen für Defizitsünder. Die Kombination von ständigem und kurzfristigem Rettungsschirm. Die Einbindung des Internationalen Währungsfonds. Das Rad haben die Europa-Chefs damit wahrlich nicht neu erfunden. Kein Wunder also, dass sofort die Kritiker auf den Plan treten, die eine stärkere Rolle der Europäischen Zentralbank fordern. Experten, die verlangen, dass die EZB ab einem bestimmten Zinssatz Staatsanleihen in unbegrenztem Umfang aufkaufen soll. Gut möglich, dass wir weder an diesem Schritt noch an den - nur von den Deutschen - ungeliebten Eurobonds vorbeikommen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass wir noch gar nicht auf dem Höhepunkt der Krise angekommen sind. Denkbar ist, dass die Schuldenkrise doch noch auf die Realwirtschaft übergreift und Europa in eine Rezession stürzt. Aber immerhin hat die Europäische Union endlich unter Beweis gestellt, dass sie handlungsfähig ist. Dies ist das wichtigste Signal. Es wird seine Wirkung nicht verfehlen. Ausgerechnet die Briten haben ein ganz anderes Signal ausgesandt. Ausgerechnet jenes Land, an dessen Finanzplatz es die Hasardeure besonders toll getrieben haben. David Cameron hat sich beeilt, zu beteuern, Großbritannien werde in der EU bleiben. Dennoch: Wir in Europa sind nicht Großbritannien. Aber wenn das Vereinigte Königreich nicht aufpasst, ist es schon bald nicht mehr Europa.

Quelle: Neue Westfälische (Bielefeld) (ots)

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