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Westfalenpost: Was bleibt, ist der Wert der Solidarität

Archivmeldung vom 22.12.2018

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 22.12.2018 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott

Scheiden tut weh - mal mehr und mal weniger. Die Trennung der letzten Bergleute von ihrer Kohle tat gestern in Bottrop verdammt weh. Da können noch so viele Politiker und Prominente auf den letzten Drücker ihr Herz für die Kumpel entdecken - für Menschen, die nicht von hier "wech" kommen, sind ihre Tränen nicht ansatzweise nachzufühlen.

So leicht ist das ja auch nicht zu verstehen, warum sich Menschen derart mit einem Beruf identifizieren, der sie jedes Tageslichts beraubt, feinsten Staub in Poren und Lungen presst und nach Spezialwaschgel verlangt, um in der Kaue das Schwarz aus Augenlidern und Halsfalten wegzukriegen. Identität gestiftet Der Pütt hat das Ruhrgebiet und seine Menschen geprägt, hat Identität gestiftet in Städten, die entlang der Ruhr und der Emscher erst mit den Zechen groß geworden sind. Worauf sollten die Leute denn sonst stolz sein? Auf ihre ehrliche Arbeit konnten sie es. Die einmalige Ansammlung fließend ineinander übergehender Großstädte ist ein Produkt des Bergbaus. Ohne Kohle kein Stahl, ohne die Montanindustrie kein Ruhrgebiet. Doch die Kohle geht nicht plötzlich und schon gar nicht unerwartet. Hunderte Zechen gaben in der Spitze um 1950 einer halben Million Menschen im Ruhrgebiet Arbeit, zum Ausstieg sind es noch 3500. Längst lebt das Revier von den Dienstleistungsbranchen - sie sorgen heute für acht von zehn Jobs. Das Revier hat noch Industrie.

Doch Südwestfalen und das Münsterland sind den Zahlen nach längst viel mehr Industrieregion als das Ruhrgebiet. Die lange gepflegte Monokultur aus Kohle und Stahl war die Wiege des Ruhrgebiets, aber auch Ursache für die folgende Strukturschwäche und die hohe Arbeitslosigkeit, kurz: für den Niedergang seit den 70er-Jahren. Dafür kann kein Bergmann etwas, aber die alte Garde der Revierbarone. Sie duldeten niemanden neben sich, witterten in den fetten Wirtschaftswunderjahren etwa in der Autoindustrie Konkurrenz im Kampf um die Arbeiter. Das 1962 eröffnete Opel-Werk in Bochum war alles andere als willkommen, jetzt sind beide weg. Den Ruhrbaronen gehörten die Flächen, und die gaben sie nicht her. Diese "Bodensperre" wirkt bis heute nach. Steinkohle als Vorbild Erst mit dem inzwischen neunjährigen deutschen Daueraufschwung bekam auch das Ruhrgebiet die Kurve.

Ein stärker werdender Mittelstand in Handel und Handwerk schafft ebenso Jobs wie die Gesundheitswirtschaft und die Logistikbranche. Die Absolventen der Ruhrgebiets-Unis ziehen mit ihren Diplomen nicht mehr automatisch gen Süden, weil sie inzwischen auch hier gut bezahlte Jobs finden. In den Revier-Kraftwerken wird weiter Kohle verfeuert - aus Australien, Kolumbien und Südafrika. Dort liegt das schwarze Gold knapp unter der Oberfläche, und nicht in 1200 Metern Tiefe, was die deutsche Kohle zu teuer macht. Im Gegensatz zur Braunkohle, die im Tagebau gefördert wird. Weil die bei der Verbrennung noch mehr Treibhausgase produziert, arbeitet die Bundesregierung aber bereits am nächsten Kohleausstieg. Dabei sollte sie sich in einem Punkt die Steinkohle zum Vorbild nehmen: Sie hat Hunderttausende Arbeitsplätze abgebaut, ohne einen Kumpel ins Bergfreie fallen zu lassen. Diese Solidarität im Großen und der Zusammenhalt unter Tage im Kleinen sind die wahren Werte, die es zu erhalten gilt. Alles andere ist ab heute Folklore.

Quelle: Westfalenpost (ots)

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