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Börsen-Zeitung: Schönfärberei bei Auktionen

Archivmeldung vom 16.04.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 16.04.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Nach dem Griff von Portugal nach dem Rettungsring werden die Bond- und Credit-Akteure in den kommenden Wochen intensiv verfolgen, ob Spanien ebenfalls Hilfe brauchen wird. Derzeit wird am Markt nicht davon ausgegangen. Aber das kann sich bekanntlich sehr schnell ändern.

Viel wird in dieser Hinsicht vom Sentiment am Markt abhängen, das durch den Auftritt der spanischen Schuldenmanager maßgeblich beeinflusst wird. Wie gestaltet sich die Refinanzierungsstrategie Spaniens, welche Renditen können und werden die Spanier am Markt noch bezahlen? Wie groß ist der Rückhalt durch die spanischen Banken tatsächlich, d.h. welche Volumina von Staatsanleihen werden BBVA, Santander und & Co. den Schuldenmanagern in den einzelnen Auktionen noch abnehmen (können)?

Zur Erinnerung: Nur einen Tag, bevor Lissabon in Brüssel anrief, hatten die portugiesischen Banken erklärt, dass sie nicht mehr in der Lage sind, weitere Anleihen des Staates auf die Bücher zu nehmen. Schließlich seien sie bereits seit rund zwölf Monaten immer mit von der Partie. Stetig abrutschende Bonds bedeuten eben herbe Verluste. Das kann man nicht ewig durchhalten. Spanische Banken, die zwar als robuster eingestuft werden als die portugiesischen Institute, werden das auch wissen und im Notfall ebenfalls die Reißleine ziehen.

Der unbedarfte Betrachter wird sich die Frage stellen, warum sich Banken derartig viele Staatsanleihen auf die eigenen Bücher laden, dass sie selbst in prekäre Situationen kommen können. Nun darf vermutet werden, dass bis zu einem gewissen Grad ein Unterstützungsgedanke für den eigenen Staat eine Rolle spielt. Auch deutsche Banken würden dem Bund bis zu einem gewissen Punkt helfen. In vielen Ländern der Eurozone bestehen dem Vernehmen nach zwischen den Schuldenagenturen der Staaten und den Banken, die im Refinanzierungsgeschäft mit den Staaten tätig sind, aber sehr rigide Verträge: Banken werden verpflichtet, bestimmte Anteile in den Auktionen abzunehmen, es gibt Vorschriften für das Verhalten im Sekundärmarkt und Ähnliches mehr. Halten sich die Banken nicht an die Vorgaben, brauchen sie sich oft keine Hoffnungen mehr auf lukrative Mandate bei anderweitigen Staatstransaktionen wie Asset-Verkäufen oder Verbriefungen zu machen. Die Einhaltung der Vorgaben wird in ruhigen Zeiten streng überwacht. Wie zu hören ist, ist die Kontrolle in der Krise bei mancher Agentur aber laxer geworden. Es soll erkannt worden sein, dass die Banken infolge der Finanzkrise nicht mehr in der Position sind, diese Verträge einzuhalten. Offensichtlich wurde das im Fall Portugal.

Herumgereicht wird im Markt des Weiteren, dass viele Schuldenagenturen - darunter auch diejenigen der südlichen Peripherie der Eurozone - bei ihren Auktionen Kosmetik betreiben. Es wird mit sogenannten "defensiven Geboten" gearbeitet. Das bedeutet: Bei einer Staatsanleiheauktion geben Banken neben den Geboten zu marktgerechten Preisen auch Gebote zu marktfernen Preisen ab. Beispiel: Eine einjährige Anleihe mit einem Kupon von 4% würde den Banken bei einem Marktzinssatz von 4% zum Preis von 100% verkauft werden. 100% Gebotspreis wären marktgerecht - 95% hingegen nicht. Dann nämlich müsste der Staat neben dem Kupon am Ende der Laufzeit 100% Nominal zurückzahlen. Da er nur 95% in der Auktion bekommen hat, zahlt er weitere 5Prozentpunkte obendrauf. Es wäre für den Staat zu teuer, dieses Gebot zu akzeptieren. Legt aber eine Bank eine Order von 500 Mill. Euro zum Preis von 95% in die Auktion, wird dieses Volumen ebenfalls als Nachfragevolumen ausgewiesen, allerdings nicht separat und ohne Angabe des Gebotspreises von 95%. Es wird nur von einem Gesamtvolumen berichtet, marktferne Preise hin oder her. Die defensiven Gebote motzen das sogenannte Bid-to-Cover (Gebots-Deckungs-Verhältnis) auf, eine vielbeachtete Kennziffer. Staaten suggerieren darüber eine komfortable Nachfragesituation für ihre Staatsanleihen - reine Auktionskosmetik.

Hinter vorgehaltener Hand wurde schon vor Jahren herumgereicht, dass nur drei Staaten in der Eurozone ohne defensive Gebote arbeiten: Deutschland und die Niederlande hätten eine stabile und sehr ausgefeilte Refinanzierungsstrategie, die ohne defensive Gebote auskomme. Luxemburg hat nur zwei Staatsanleihen und braucht deshalb keine defensiven Gebote.

In der neuen Woche wird nun Spanien am Primärmarkt auftreten. Bei der Beurteilung der Auktionsergebnisse und damit des Investorenappetits sollte im Hinterkopf behalten werden, dass dabei Schönfärberei eine Rolle gespielt haben könnte.

Quelle: Börsen-Zeitung

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