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Schwierige Balance

Archivmeldung vom 21.01.2022

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 21.01.2022 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Sanjo Babić

Dass das Gesetz über digitale Dienste in der EU eine Richtlinie aus dem Jahr 2000 ersetzen soll (also einer Zeit lange vor dem ersten iPhone), zeigt deutlich, wie überfällig die Regulierung ist. Zusammen mit dem Gesetz über digitale Märkte (DMA) sollen die neuen Regeln eine Art europäisches Grundgesetz für das Internet bilden. Im Gegensatz zum DMA, der auf Wettbewerbsfragen und damit die großen US-Tech-Konzerne zielt, wird der Digital Services Act (DSA) eine breite Wirkung unter den Unternehmen und Internetnutzern erzielen.

Jeder, der online shoppen geht, sich eine Urlaubswohnung über Airbnb bucht, der auf Twitter oder Instagram aktiv ist oder sich nur eine neue App herunterlädt, ist betroffen. Allein dass die nervigen Cookie-Banner ein Ende haben, wenn man künftig bestimmte Browser-Einstellungen wählt, dürfte dem DSA viel Applaus einbringen.

Die Verordnung soll den Online-Handel sicherer machen und zugleich die Offline- und Online-Gesetze miteinander in Einklang bringen. Dafür mussten und müssen die EU-Gesetzgeber allerdings an vielen Stellen eine schwierige Balance schaffen. Nehmen wir das verschärfte Vorgehen gegen Hassrede und Desinformation: Wie werden willkürliche Löschungen verhindert? Wo ist die Grenze zur Meinungsfreiheit? Die derzeit diskutierten Lösungen überzeugen noch längst nicht jeden.

Oder nehmen wir in diesem Zusammenhang den aktuell vor allem in Deutschland in der Kritik stehenden Messengerdienst Telegram: Ja, gegen die Hetze auf dem Kanal muss dringend eine Lösung gefunden werden. Wenn man aber andererseits weiß, dass Telegram gerade wegen seiner Verschlüsselung zu einem der wichtigsten Kommunikationswege der Opposition in autoritären Staaten geworden ist, stellt sich das diskutierte Verbot schon anders da. Die (letztlich gescheiterte) belarussische Revolution 2020/21 hätte es ohne Telegram wohl nicht gegeben.

Und was ist mit der Balance zwischen Verbraucherschutz und der Förderung der europäischen Digitalwirtschaft? Und muss es unbedingt Ausnahmen für kleine Unternehmen geben, oder machen diese alles wieder viel zu kompliziert? Und muss zum Schutz von Kindern das Recht auf anonymes Surfen im Internet geopfert werden?

Es sind schwierige Abwägungen, welche die Gesetzgeber in ihren jetzt beginnenden Schlussverhandlungen vornehmen müssen. Gelingen sie, könnte sich die EU aber rühmen, globaler Vorreiter für eine neue Gesetzgebung für das Internet zu sein.

Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Andreas Heitker

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