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Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema "Norwegen und die Rolle der Medien"

Archivmeldung vom 30.07.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 30.07.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Diesem Mann gebührt Hochachtung und Respekt: Es ist bewundernswert, wie Norwegens Ministerpräsident Jens Stoltenberg an der Seite der Menschen seines Landes steht. Wie er Trost spendet und die richtigen Worte findet. Nach dem Verbrechen mit nunmehr 77 Toten reagiert der Regierungschef und mit ihm ganz Norwegen auf das sinnlose Morden mit Menschlichkeit, Demokratie, Offenheit - mit Zivilität. Daran sollte sich Deutschland ein Beispiel nehmen - vor allem die Medien und Politiker.

Die Situation beider Länder ist zwar nicht zu vergleichen, aber der Reflex in Deutschland auf die Tat hätte unangemessener nicht sein können. Während Norwegen sich seiner Werte besann und zuließ, dass es eine allumfassende Sicherheit nicht geben kann, schrie Deutschland laut nach Repression. Das zum Teil beschämende Verhalten im Umgang mit den Taten von Utöya und Oslo begann damit, dass sich einige Medien bereits während der Bombenexplosion mächtig vergaloppierten. Nur Minuten nach dem Anschlag berichteten TV-Sender und Internetportale, dass es sich »mit großer Wahrscheinlichkeit« um einen El-Kaida-Angriff handele. Der internationale Terrorismus habe wieder zugeschlagen, das könnten »die Experten« schon »mit großer Wahrscheinlichkeit« sagen, auch wenn man vor »vorschnellen Urteilen warnen« müsse. So weit, so schlecht. Als Quellen für die Schlussfolgerungen dienten »die Behörden«, »die Experten« oder »die Sicherheitsfachleute«. Trotz aller Hektik, allen Zeitdrucks, aller Konkurrenz: Guter Journalismus sieht anders aus. In einer Zeit, die nach Aufklärung und Einordnung verlangt, neigen Medien dazu, stets Antworten geben zu müssen, obwohl sie selbst noch im Dunkeln tappen. Wie es anders geht, zeigt Ministerpräsident Jens Stoltenberg. Als viele Journalisten bereits wild spekulierten, sagte der Premier: »Wir wissen nicht, wer uns angegriffen hat. Wir wissen es einfach noch nicht.« Während Norwegen sich noch im Schockzustand befand, tobte in Deutschland bereits die Debatte. Von Fragen nach der inneren Sicherheit, der Beobachtung von Extremisten bis zur stärkeren Kontrolle des Internet reichten die zum Teil abstrusen Ideen und Forderungen. Schärfere Waffengesetze, strengere Regeln bei Computerspielen, Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung, Kontrolle beim Düngemittelkauf, das Verbot der NPD - alles, was nur ansatzweise mit den Taten von Oslo und Utöya in Zusammenhang gebracht werden konnte, kam auf die Tagesordnung. Das liegt zum einen daran, dass Journalisten - vom Ehrgeiz und einer falsch eingeschätzten Erwartungshaltung getrieben - zu viele (falsche) Fragen stellen und manchmal auch der Zeitpunkt dafür nicht richtig ist. Es hat aber auch damit zu tun, dass einige Politiker falsche oder gar keine Antworten geben oder sich nicht trauen, die Journalisten auf ihre unangemessenen Fragen hinzuweisen. Und manch einer versucht sogar, die Situation politisch zu nutzen. So ist SPD-Chef Sigmar Gabriel kläglich damit gescheitert, seinen Feind Thilo Sarrazin in Zusammenhang mit dem rechtsradikalen Weltbild des Mörders zu bringen. Jens Stoltenberg hat eine Aufarbeitung aller Umstände angekündigt. Diese muss auch erfolgen. Aber die Zeit ist dafür noch nicht gekommen. Viel wichtiger ist es, die Angehörigen der Opfer zu trösten und den Verletzten beizustehen. Bei der Trauerfeier nahm Stoltenberg jeden der Angehörigen in den Arm, las die Namen der Toten persönlich vor. Für ihn ist es selbstverständlich, dass die Regierung die Begräbniskosten für alle Getöteten übernimmt. Jens Stoltenberg ist kein Journalist, muss somit keine Fragen stellen. Er, der viele Opfer persönlich kannte und als Jugendlicher an Ferienfreizeiten auf der Insel teilnahm, ist zu einem festen Anker für Norwegen geworden. Statt vorschnell Konsequenzen herbeizuführen, verhielt er sich anders: Er antwortete auf die Taten mit Menschlichkeit. Jens Stoltenberg ist ein Vorbild. Für Deutschland, für die Medien, für uns alle.

Quelle: Westfalen-Blatt (ots)

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