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BERLINER MORGENPOST: Showtime im Regierungsviertel

Archivmeldung vom 28.11.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 28.11.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

"It's showtime!" Mit diesen Worten, so will es die Legende, versetzte sich Bill Clinton einst in Darstellungslaune, just in der Sekunde, als sich die Tür der "Air Force One" öffnete. Grinsen auf Knopfdruck. Der frühere US-Präsident war ein Meister des politischen Schauspiels; von Drama bis Soap hatte der Hobby-Saxofonist alle Rollen drauf. Und die Menschen glaubten ihm.

Der Brite Tony Blair, mit Gitarre, und später Gerhard Schröder, mit Fußball und Zigarre, waren gelehrige Schüler, die mit natürlichem Charme und eiskaltem Gespür fürs Inszenatorische auf Menschenfang gingen. Auch das sehr Private gehörte zum darstellerischen Gesamtkunstwerk. Joschka Fischer wiederum führte Wahlkampf in Laufschuhen, um Ausdauer und Leistungswillen zu illustrieren. Ganze Stäbe mühten sich, Kulissen für heroische Bilder zu basteln, Medienberater mühten sich, auch klebrig weichen Zeitgenossen eine Art Profil zu verpassen. Ob Koch, Stoiber oder Clement - alle gehorchten den Regeln der Castingshow. Dann kam Merkel. Das Gegenteil. Öffentlich kantig, das Lächeln angestrengt, Privates blieb privat. Dieses Modell ersetzte landesweit die Showtruppe. Ob Kretschmann, Scholz, Kraft und die Ost-Ministerpräsidenten allesamt - sie gewannen Wahlen ohne viel Hollywood. Weil der Typus des unspektakulären Regierbeamten zur Krise passte, machten die Wähler den Schwung vom Entertainer zur protestantischen Bescheidenheit durchaus erleichtert mit. Zu viel Show hat sich irgendwann verbraucht. Zu viel No-Show allerdings auch. Geradezu begierig werden die Shows zweier Kandidaten verfolgt, die wieder mit der alten Masche kommen. Beide schöpfen aus der Tradition: der eine mithilfe des Denkmals Helmut Schmidt, der andere aus 800 Jahren Familiengeschichte. So unterschiedlich Peer Steinbrück und der Freiherr zu Guttenberg sein mögen - das Darstellerische, Symbolische und dramaturgisch Berechnete kennzeichnet den Auftritt von beiden. Schwingt das Pendel des öffentlichen Interesses gleichsam naturgesetzlich zurück? Folgt auf eine Phase quälend unaufgeregten Macht-Organisierens automatisch eine Generation von Unterhaltungspolitikern, die wieder auf Gefühle statt Programm setzen? Das muss sich noch zeigen. Zur Zeit von Clinton, Blair und Schröder galt des Altkanzlers Maxime, dass ",Bild', ,BamS' und Glotze" genügten, die Öffentlichkeit zu beherrschen. In der neuen Ära der Volldigitalisierung allerdings reichen hübsche Bilder nicht, im Gegenteil. Wer Sachlichkeit durch Emotion ersetzt, riskiert Eskalationen, verbunden mit Kontrollverlust. Das Schicksal des früheren Verteidigungsministers Guttenberg zeigt, dass selbst mit medialer Hilfe eine empörungsfrohe Öffentlichkeit nicht zu beruhigen ist. Explosionsartig anschwellende Hysterien, ob Stuttgart 21 oder Fukushima, bedürfen eher des Ruhepols als der Drama-Queen. Die Bundestagswahl 2013 und der Weg dorthin werden, wie immer, auch eine Abstimmung über Stile, die selten so weit auseinanderlagen wie derzeit. Am Ende geht es nur um die rare Ressource Vertrauen.

Quelle: BERLINER MORGENPOST (ots)

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