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Weser-Kurier: Libysches Labyrinth

Archivmeldung vom 09.03.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 09.03.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Joschka Fischer hat ja Recht: Europa hat keine Idee, keinen Plan, keine Initiative, um die blutige Krise in Libyen zu beenden. Als grüner Außenminister hatte Fischer im Sommer 1999 gemeinsam mit Kanzler Gerhard Schröder die deutsche Luftwaffe in ihren ersten Kriegseinsatz nach 1945 geschickt: gegen die serbischen Streitkräfte, die im Kosovo die Unabhängigkeitsbewegung zusammenschossen und dabei einen gewaltigen Flüchtlingsstrom Richtung EU auslösten.

Da die allermeisten - rund 450000 - in Deutschland landeten und da die Veto-Mächte Russland und China im Weltsicherheitsrat gegen eine Flugverbotszone waren, hat der Deutsche Bundestag schließlich sogar gemeinsam mit der Nato auf ein UN-Mandat gepfiffen. Das wurde erst später nachgereicht - nachdem deutsche und andere Nato-Jets die serbische Flugabwehr pulverisiert und die serbische Luftwaffe an den Boden genagelt hatten. Militärisch war das goldrichtig: Die Nato hat im Kosovo nur ein einziges Flugzeug - pikanterweise einen Tarnkappen-Jet - verloren und nicht einen einzigen Soldaten. Es ist zwingend, die Kriege und Konflikte der vergangenen 30 Jahre zu betrachten, wenn man nach einer Lösung für Libyen sucht. Dann wird klar, dass es zwar Optionen gibt, aber keinen Königsweg: Immer lauern Risiken, Unwägbarkeiten, schwer vertretbare "Kollateralschäden". Auch Professor Fischer zögert mit dem Ruf nach einem direkten militärischen Eingreifen. Er fordert vielmehr "diskrete Hilfe und Unterstützung" für die libysche Opposition. Genau dies haben die USA ab 1981 in Afghanistan getan: Die den sowjetischen Besatzern hoffnungslos unterlegenen Mudschaheddin wurden so lange mit hochmodernen tragbaren Flugabwehrraketen und Panzerabwehrwaffen aufgerüstet, bis die stetig steigenden Verluste die Sowjets nach fast zehn Jahren doch zum Abzug zwangen. Dass die US-Administration danach jegliches Interesse an Afghanistan verlor, ist die Ursache für alle folgenden Tragödien am Hindukusch. Auch in Libyen müsste man also genau wissen, wer Gaddafi verjagen soll und - vor allem! - was danach geschehen muss. So weit sind Barack Obamas Berater aber noch nicht. Selbst der neue libysche "Nationalrat" im befreiten Bengasi scheint nicht zu wissen, was er eigentlich will: Er ruft nach einer Flugverbotszone, lehnt aber eine militärische Intervention ab. Eine Flugverbotszone ist aber immer eine massive militärische Intervention, denn kein Staat beteiligt sich daran, wenn nicht als erstes die gegnerische Flugabwehr "ausgeschaltet" wird - und das geschieht auch 2011 eher mit Bomben und Raketen als mit Computerviren. Man kann jedoch davon ausgehen, dass dies dem Golfkooperationsrat oder der Organisation der Islamischen Konferenz schon klar ist, wenn sie ebenfalls nach einer Flugverbotszone rufen. Das wiederum steigert die Aussicht auf ein UN-Mandat. Irgendwann werden sich auch Gaddafis letzte Freunde in Moskau und Peking fragen, was ihnen die Unterstützung des bizarren Potentaten eigentlich bringt - und ob man nach dessen raschem Ende nicht lieber mit den Nachfolgern ins Geschäft kommen sollte. Klar ist schon jetzt: Einfach zuschauen, den Konflikt "ausbluten lassen" (das hatte einst Egon Bahr für den Balkan vorgeschlagen), geht in Libyen nicht. Was dann passiert, konnte man nach 1991 im Irak studieren: Das Regime stabilisierte sich vorläufig, aber die ganze Region wurde nachhaltig destabilisiert. Das kann für Nordafrika niemand wollen - auch nicht in Europa.

Quelle: Weser-Kurier

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