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DER STANDARD-KOMMENTAR "Fehlender Mut, "Stopp" zu sagen"

Archivmeldung vom 21.12.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 21.12.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Wir sollten Moodyx{2588}s und Standard & Poorx{2588}s dankbar sein. Der rücksichtslose Druck der Ratingagenturen auf die Bundesregierung brachte etwas in Gang, das kaum noch möglich schien: Die rot-schwarze Koalitionsregierung, deren Daseinssinn sich im Absichern und Ausschmücken ihrer Pfründe erschöpfte, ist plötzlich aufgewacht und erhellt von bisher nicht gekannten Gedanken wie "Sparen" oder "Schulden abbauen".

Auch Europa-therapeutische Gespräche von Kanzler Werner Faymann, die seine deutsche Kollegin Angela Merkel mit ihm führte, zeigten Wirkung. Es musste also ein massiver Druck von außen her, damit sich der koalitionäre Betonblock langsam zu bewegen begann. Und plötzlich wird auch über sündteure Infrastrukturprojekte wie Semmering-, Koralm- oder Brenner-Basistunnel offen geredet. Das sind keine Kinkerlitzchen. Das sind die größten Investitionsbrocken der Republik, deren Finanzierung Österreich größte Probleme bereiten könnte. Laut Rechnungshof wird der Bund für die derzeit geplanten Projekte rund 60 Milliarden Euro zurückzahlen müssen. Das Ausmaß der Gelder, die hier eingespart werden könnten, lassen andere Einsparungspotenziale fast marginal erscheinen. Millionen wurden aber bereits unwiederbringlich verbuddelt. Im alten, nie verwirklichten Semmeringtunnel liegen gute 100 Millionen Euro vergraben. Pro Jahr muss dort seit Jahren für das Abpumpen von Wasser eine geschätzte halbe Million Euro aufgewendet werden. Nimmt man alte Prognos-Studien als Basis, die seinerzeit den Bedarf bis 2000 oder 2010 berechnet hatten, stellt sich heraus, dass es am Semmering nach wie vor freie Kapazitäten gibt. Trassen-Alternativen etwa durch die Grazer Ostbahn und Raaberbahn, die gerade mit EU-Geldern elektrifiziert wird, stellen auch verkehrstechnische Sinnhaftigkeit infrage. Regionale Politiker sehen das natürlich völlig anders, ist es ihnen doch gelungen, sogar in Brüssel Verbündete für die Semmering-Verkehrsachse zu finden. Die EU zahlt aber im besten Fall einen Bruchteil der Baukosten mit, für Österreich entscheidend sind jedoch die Finanzierungs- und Betriebskosten - auch im Hinblick auf die nächste Generation, der die Schulden übergeben werden. Beim Koralmtunnel erinnert man sich:_Es war ein Geschenk an den verstorbenen Paten der schwarz-blauen Regierung, Jörg Haider. Er wollte dies, wie auch das sündteure Fußballstadion in Klagenfurt, das jetzt keiner braucht. Mehr als eine Milliarde Euro wurde beim Koralmprojekt bereits verbaut. Regionalpolitiker sagen, ein Baustopp sei nicht mehr zu rechtfertigen. Doch angesichts der noch drohenden Kosten greift das Argument nicht. Auch beim teuersten Projekt, dem Brenner-Basistunnel - zehn Milliarden Euro - malt Verkehrsministerin Doris Bures jetzt ein Fragezeichen auf. Denn ob Italien je mitzahlen wird, ist völlig offen. Der neue Regierungschef Mario Monti hat momentan andere Sorgen. Selbst wenn die Großprojekte verkehrspolitisch Sinn ergeben mögen, muss die Regierung jetzt den Mut aufbringen und laut "Stopp" sagen. Aus. Es geht nicht. Kein Geld, sorry. Vielleicht später. ÖBB-Chef Christian Kern stellte die richtige Frage: "Wie viel Geld ist vorhanden?" Die Frage kam leider zu spät. Sie hätte von Regierungspolitikern schon vor Jahren gestellt werden müssen - noch bevor sie mit glänzenden Augen Verträge für die Prestigeprojekte unterschrieben.

Quelle: Der Standard (ots)

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