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Lausitzer Rundschau: Gefahr für die Demokratie

Archivmeldung vom 15.10.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 15.10.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Überhangmandate gab es in Nachkriegsdeutschland schon immer; sie sind die logische Folge eines Wahlsystems, das die Abgeordneten einerseits direkt in ihren Wahlkreisen bestimmt, andererseits die Zusammensetzung des Bundestages indirekt nach dem Stärkeverhältnis der Parteien festlegt. So lange beide große Volksparteien, Union und SPD, halbwegs gleichmäßig von ihnen profitierten, waren sie kein großes Problem, wenngleich die Benachteiligung der kleinen Parteien schon immer ein systemischer Mangel war.

Jedenfalls wurde durch Überhangmandate bisher nie die Machtfrage im Land entschieden. Das ist jetzt anders geworden. Weil sich die linke Seite des politischen Spektrums zersplittert in SPD, Grüne, Linke und neuerdings noch Piraten, die rechte Seite aber nicht, droht eine dauerhafte und dramatische Verzerrung des Wählerwillens. Es ist theoretisch denkbar, dass die Union mit nur 30 Prozent der Zweitstimmen alle Wahlkreise gewinnt und damit schon 50 Prozent der Sitze im Bundestag einnimmt. Während die SPD, wenn sie überall auf 28 Prozent kommt, auch nur 28 Prozent der Sitze hätte. In der Praxis werden es Werte dazwischen sein. Damit ist das grundsätzliche Problem der Überhangmandate offensichtlich. Eine Stimme für die Union zählt im Ergebnis mehr als eine für andere Parteien. Die Gleichheit der Wahl ist ausgehebelt. Dass das nicht nur ein theoretisches Problem ist, zeigt der aktuelle Bundestag, in dem die Union schon 24 Abgeordnete mehr hat, als ihr nach dem reinen Verhältniswahlrecht zustehen würden. Jede CDU-Stimme wog 2009 rund zehn Prozent mehr als eine Stimme für andere Parteien. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Wahlrechtsurteil von 2008 zwar nicht die Überhangmandate an sich bemängelt, sondern nur ihr mathematisches Randproblem, das negative Stimmengewicht. Es sorgte bei einer Nachwahl 2005 in Dresden dafür, dass Unionswähler dort ihrer Partei einen zusätzlichen Parlamentssitz besorgen konnten, indem sie sie mit der Zweitstimme bewusst nicht wählten - besonders absurd. Das neue Wahlgesetz, das Union und FDP nun vorgelegt haben, löst dieses Spezialproblem zwar weitgehend, lässt aber die eigentliche Ungerechtigkeit der Überhangmandate unangetastet. Und das sehr bewusst. Die Reform mag zwar formal den Anforderungen der Karlsruher Richter genügen, ist aber trotzdem Trickserei. Außerdem wurde die Opposition, anders als sonst bei Änderungen des Wahlrechtes, nicht einbezogen. Man merkt die Absicht und ist verstimmt. Dieser Vorgang ist keine Lappalie. Das Wahlrecht muss von allen akzeptiert werden, sonst werden nämlich die Ergebnisse von Wahlen nicht mehr von allen akzeptiert. Für die Demokratie kann es Schlimmeres gar nicht geben, wie man in vielen Ländern der Welt sieht. Den am Freitag erhobenen Verfassungsbeschwerden von Bürgern, diesmal direkt gegen die Überhangmandate, ist daher von Herzen ebenso Erfolg zu wünschen wie der Klage, die die SPD angekündigt hat. Auch wenn die Sozialdemokraten mit ihren Argumenten deutlich glaubhafter wären, wenn sie sich schon gegen die Überhangmandate gewendet hätten, als sie selbst noch zu den Mitprofiteuren des Systems gehörten.

Quelle: Lausitzer Rundschau (ots)

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