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Westfalen-Blatt: Leipziger Buchmesse

Archivmeldung vom 22.03.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 22.03.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Leipzig hat es leichter als Frankfurt. Zur Buchmesse in der Mainmetropole ritten die Medien scharfe Attacken gegen die Verantwortlichen, weil die vor China einknickten und Regimekritiker ins Leere laufen ließen. Skandal!, rief das Feuilleton. Zu einem Skandal hat es in Leipzig nicht gereicht, aber eine schöne Affäre wäre es doch geworden.

Nur ist eben Schwerin nicht China, und so blieb die Peinlichkeit unter der Decke: Zu den Kandidaten für den Leipziger Buchpreis zählte anfangs auch der Schweriner Autor Norbert Leithold, der ein fulminantes Sachbuch über den Grafen Goertz geschrieben hat, über jenen Diplomaten, der an Goethes Frühstückstafel dem Weimarer Prinzen Carl August die Welt erklärte. Leithold wurde dann mit der Begründung von der Liste gestrichen, er schmücke sich in seinem Lebenslauf mit einem Preis, den aber - die Leipziger Jury rühmt sich eifriger Recherchen - ein gewisser Norbert Bleisch erhielt. Das ist korrekt. Man setzt sich keinen fremden Lorbeerkranz auf. Leider aber sind Herr Bleisch und Herr Leithold identisch, und wenn derart fundamentale Dinge unentdeckt bleiben, taugt die schönste Recherche nichts. Aber blieben die Dinge überhaupt unentdeckt? Wohl kaum. Die Leipziger Jury fürchtete sich vor etwas ganz anderem: Bleisch hat einen islamkritischen, politisch also nicht korrekten Kurzroman geschrieben, eine dürftige Fingerübung, die unter dem Titel »2040« im Internet kursiert. Außerdem aber - und hier wird's dann unappetitlich - drehte er Pornos mit Minderjährigen, wofür ihn die Schweriner Justiz zweieinhalb Jahre ins Gefängnis schickte. Zum Glück für die Jury schwieg das Feuilleton. Das ging gerade noch mal gut. Auf den Tritt ins zweite Fettnäpfchen wiederum lauerte die literarische Welt vergeblich: Helene Hegemann bekam den Buchpreis nicht. Die junge Dame, die diverse Passagen in »Axolotl Roadkill« erstens abgeschrieben, zweitens bei einem schlechten Autor abgeschrieben, drittens den hanebüchenen Unsinn nicht selbst erlebt und ihn viertens in dürftiges Deutsch gekleidet hatte, wurde zwar nominiert, aber dann verließ die Jury doch die Traute. Die Jurypräsidentin Verena Auffermann maulte zwar, sie lasse sich nicht unter Druck setzen, aber gegen Gegner von solchem Format hatte sie keine Chance: Seriöse Schriftsteller wie Günter Grass, Christa Wolf und Erich Loest hatten in der »Leipziger Erklärung« Plagiate im Stile Hegemanns als das bezeichnet, was sie sind - als geistigen Diebstahl. Das wurde, wie so vieles, einfach weggelächelt, und so wird die Leipziger Buchmesse als Fest der Harmonie in Erinnerung bleiben. Viele Kinder kamen, obwohl das klassische Kinderbuch einen langsamen Tod stirbt. E-Books wurden gut versteckt, denn wenn ich das digitale Gespenst nicht sehe, existiert es nicht. Und aus dem Bundestag ist zu hören, man wolle das Urheberrecht stärken. Alles wird gut.

Quelle: Westfalen-Blatt

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