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Wie die undifferenzierte Haltung des Auswärtigen Amtes Millionen Arbeitsplätze bedroht

Archivmeldung vom 24.06.2020

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 24.06.2020 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott

Die vorrangig mittelständisch geprägte deutsche Reisewirtschaft (1) hat seit der historisch einmaligen Verkündung der weltweiten Reisewarnung allein im Zeitraum zwischen dem 17.03. und Ende Juni 2020 Umsatzeinbußen von 10,8 Milliarden Euro zu verzeichnen. Mit der pauschalen Verlängerung der weltweiten Reisewarnung für alle Länder außerhalb Europas bis zum 31.08.2020 erwartet die deutsche Reisewirtschaft einen weiteren Umsatzausfall von ca. 9 Milliarden Euro.(2)

Mit der Aussage von Heiko Maas vom 22.04.2020 „der internationale Flugverkehr liegt am Boden, die Grenzen sind dicht, an vielen Stellen gibt es Ausgangssperren“1 mit der unter anderem die anhaltende Reisewarnung begründet wird, verwechselt der Bundesaußenminister und damit Behördenleiter des Auswärtigen Amtes eindeutig Ursache und Wirkung der ausgesprochenen weltweiten Reisewarnung. Ein Grund für eine Reisewarnung, die bisher stets länderspezifisch ausgesprochen wurden, liegt dann vor, wenn von „einer akuten Gefahr für Leib und Leben“ ausgegangen werden muss.2

Nach der ersten Schockstarre und der nachvollziehbaren Reaktion am 17.03.2020 eine weltweite Reisewarnung auszusprechen, ist es nun dringend geboten wieder zu gezielten Reisehinweisen und vereinzelten Reisewarnungen zurückzukehren. Mit der fortlaufenden pauschalen Reisewarnung für außer-europäische Länder wird das Auswärtige Amt nicht nur der Realität nicht gerecht, auch entzieht es vielen kleinen und mittleren Unternehmen der Reisewirtschaft für weitere drei Monate die Geschäftsgrundlage. Erst kürzlich hat das WTTC errechnet, dass durch den ausbleibenden Tourismus weltweit über 100 Millionen Arbeitsplätze akut bedroht sind.3

Die mangelnde Differenziertheit des Auswärtigen Amtes und des RKI lässt sich gut am Beispiel Namibias im Südwesten Afrikas darstellen: Namibia hat (Stand 17.05.20) 34 bestätigte Covid-19 Fälle, darunter 16 aktive Fälle und keine Todesfälle. Dies entspricht 14 Covid-19-Fällen pro 1 Millionen Einwohner.4 Spanien hingegen hat zum selben Zeitpunkt 244.328 bestätigte Covid-19-Fälle, darunter 66.816 aktive Fälle und 27.136 Todesfälle.5 Dies entspricht 5.187 Covid-19- Fällen pro 1 Millionen Einwohnern, also dem Faktor 370 im Vergleich zu Namibia.

Dieser Faktor lässt sich auch durch einen höheren Testquotienten nicht relativieren. Hier wird der massive Widerspruch der Entscheidung des Auswärtigen Amtes deutlich, dass für Länder wie Namibia, die eine deutlich geringere Inzidenz aufweisen als fast alle europäischen Länder, die pauschale Reisewarnung verlängert wurde, anstelle wieder zu dezidierten Reisehinweisen überzugehen und nur vereinzelt Reisewarnungen auszusprechen. Im Gegensatz zu Namibia kann nach Spanien ab dem 21. Juni wieder ohne besondere Auflagen gereist werden.1 In diesem Zusammenhang führt das RKI (Stand 17.05.20) paradoxer Weise eine Reihe von kaum betroffenen Ländern, inklusive Namibia, in ihrer Liste internationaler Risikogebiete.2 Menschen, die aus diesen Ländern nach Deutschland einreisen, droht eine staatlich verordnete Quarantäne. Spanien wird in dieser Liste ebenso wenig geführt wie andere europäische Länder.

Diese Pauschalisierung stellt einen unhaltbaren und schädlichen Zustand dar, der zum Teil wenig bis gar nichts mit dem aktuellen Infektionsgeschehen in den verschiedenen Ländern zu tun hat.

Namibia, ein Land dessen BIP zu 10,2% (Stand 2015)3 vom Tourismus abhängt und in dem 14,5% aller Arbeitsplätze am Tourismus hängen (Stand 2015)4, hat in der Corona-Krise frühzeitig reagiert und unmittelbar nach der Feststellung der ersten positiven Fälle die Landesgrenzen geschlossen sowie einen vorübergehenden Lockdown verordnet und somit eine Ausbreitung des Corona Virus augenscheinlich weitestgehend unterbunden. In einem mehrstufigen Plan hat das Land nun sukzessive Lockerungen vorgenommen und bereitet aktuell unter anderem die schrittweise Grenzöffnung sowie einen verantwortungsvollen Neustart des internationalen Tourismus vor. Hierzu hat das Namibia Tourism Board unter strenger Beachtung der WHO Richtlinien ein Maßnahmenpapier erarbeitet, welches einen für alle Beteiligten nachhaltig sicheren Tourismus gewährleisten soll.5

Gegenteilig zu den Aussagen des Auswärtigen Amtes und des RKI stellt sich Namibia in Zeiten der Corona-Krise mit seiner extrem niedrigen Bevölkerungsdichte von nur 2,82 Einwohnern pro Km2 (Spanien hat 93 Einwohner pro Km2)6,7 als besonders gut geeignetes Reiseland dar. Der traditionell dezentral verlaufende Tourismus und die üblicherweise kleinen bis mittelgroßen Unterkünfte führen anders als im klassischen europäischen Strandurlaub nicht zu Massenansammlungen von Menschen. Selbst im normalen Tourismusbetrieb haben die Unterkünfte durchschnittlich eine im globalen Vergleich geringe Bettbelegung von lediglich 36% (Stand 2017).8

Die vom Namibia Tourism Board beschlossenen Richtlinien zur Wiederaufnahme eines verantwortungsvollen Tourismusbetriebs sind auch deswegen gut umsetzbar, weil ein Großteil der traditionell naturbezogenen Aktivitäten wie Safaris und Wanderungen ohnehin im Freien stattfinden und Veranstaltungen in geschlossenen Räumen oder in größeren Gruppen keine besondere Rolle im namibischen Tourismus einnehmen. Eine pauschale Aufrechterhaltung der Reisewarnung für Länder wie Namibia, selbst nach Wiedereröffnung der Grenzen seitens der Drittstaaten, wäre folglich nicht nur absolut unpräzise, sondern würde sowohl der deutschen Reisewirtschaft als auch der Wirtschaft der Reiseländer einen erheblichen und unbegründeten Schaden zufügen.

Es muss darüber hinaus befürchtet werden, dass der globale Naturschutz massiv unter einem Hinauszögern der internationalen Reiseaktivität leidet, da dieser zu großen Teilen aus dem Tourismus heraus finanziert wird, wie die UNWTO unlängst zu bedenken gibt.9
Mit der undifferenzierten Haltung des Auswärtigen Amtes werden auch die Empfehlungen der EU-Kommission missachtet, welche unter Einhaltung verschiedener Kriterien ab dem 01.07.2020, und damit zwei Monate vor dem Auswärtigen Amt, den Einreisestopp für Drittstaaten schrittweise und koordiniert aufheben möchte.10

Die gerne zitierte Aussage „eine erneute Rückholaktion werde es nicht geben“11 von Heiko Maas in seiner Rolle als Außenminister und die damit verbundene Sorge unzählige Menschen würden bei einem erneuten erhöhten Infektionsgeschehen in ihren Urlaubsländern festsitzen, ist ebenfalls undifferenziert. Anders als häufig suggeriert, hat die Bundesregierung in der historisch einmaligen Rückholaktion im März und April 2020 nicht etwa 250.000 Urlaubsgäste mit angemieteten Flugzeugen nach Deutschland rückgeführt, sondern lediglich 66.000.12 Die bisweilen außerordentlich leistungsstarke deutsche Reisewirtschaft hingegen hat die verbliebenen ca. 180.000 Reisegäste rückgeführt – zum Großteil auf eigene Kosten.13 Speziell Pauschalreisende haben hier eine besondere Absicherung durch Ihre Reiseveranstalter.

Die aktuelle Lage stellt sich äußerst komplex dar. Alle Seiten der internationalen Reisewirtschaft eint hierbei das Ziel einen langfristig sicheren Neustart des Tourismus zu gewährleisten und eine erneute Infektionswelle zu vermeiden. Dieser komplexen Sachlage muss das Auswärtige Amt die nötige Aufmerksamkeit schenken, um die gegenwärtige pauschale Reisewarnung durch vereinzelte Reisewarnungen und gezielte Reisehinweise zu ersetzen und somit einen weiteren, massiven Wirtschaftsschaden abzuwenden, heimische sowie internationale Arbeitsplätze zu sichern, den internationalen Austausch wieder zu ermöglichen und nicht zuletzt den globalen Naturschutz vor dem Zusammenbruch zu retten.

Der UN-Generalsekretär Antonio Guterres hat mit der UNWTO jüngst verkündet, dass der internationale Tourismus ein wesentlicher Bestandteil in der Bewältigung der globalen Corona-Krise sein könne und das an einem Neustart gearbeitet werden müsse.14
Nun ist es dringend erforderlich, dass die Bundesregierung mit dem Auswärtigen Amt dieser Erkenntnis Rechnung trägt und einen verantwortungsvollen, aber differenzierten Neustart des internationalen Tourismus ermöglicht.

Datenbasis:

1 https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Dossier/tourismus.html 2 https://www.drv.de/anzeigen/txnews/sommerurlaub-in-den-startloechern.html 3 https://www.tagesschau.de/inland/maas-reise-103.html 4 https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/wassindsicherheitshinweise/199692 5 https://wttc.org/News-Article/WTTC-now-estimates-over-100-million-jobs-losses-in-the-Travel-&-Tourismsector-and-alerts-G20-countries-to-the-scale-of-the-crisis 6 https://news.google.com/covid19/map?hl=de&mid=%2Fm%2F05bmq&gl=DE&ceid=DE%3Ade 7 https://news.google.com/covid19/map?hl=de&mid=%2Fm%2F06mkj&gl=DE&ceid=DE%3Ade 8 https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/spanien-node/spaniensicherheit/210534 9 https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikogebiete_neu.html 10 https://www.namibiatourism.com.na/uploads/file_uploads/TSA%20fifth%20Edition%20(5).pdf 11 https://www.namibiatourism.com.na/uploads/file_uploads/TSA%20fifth%20Edition%20(5).pdf 12https://www.dropbox.com/s/08ooekndhh2tqwe/NTB%20Toolkit%20on%20Management%20of%20Guests%2 0Protocols%20Pages.pdf?dl=0 13 https://de.wikipedia.org/wiki/Namibia 14 https://de.wikipedia.org/wiki/Spanien 15 http://www.met.gov.na/files/downloads/e9d_MET%20Tourist%20Statistical%20Report%202017.pdf 16 https://www.unwto.org/news/tourism-can-promote-solidarity-un-secretary-general-antonio-guterres 17 https://ec.europa.eu/germany/news/20200611-einreisebeschraenkung_de 18 https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/coronavirus/urlaub-und-corona-1745488 19 https://www.welt.de/wirtschaft/article209522873/Corona-Jetzt-bekommen-Urlauber-ihre-Rechnung-fuerdie-Rueckholaktion.html 20 https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/corona-risiko-sommerurlaub-was-sie-jetzt-wissen-muessen- 16816057.html 21 https://www.unwto.org/news/tourism-can-promote-solidarity-un-secretary-general-antonio-guterres

Quelle: Taruk International GmbH von Christan Haape, 18.06.2020, Caputh/Schwielowsee


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