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"Sehr viel mehr konnte nicht schieflaufen ..." ARD-Dokumentation zeigt neue Hintergründe des tödlichen Polizeieinsatzes in Bad Kleinen im Juni 1993

Archivmeldung vom 15.06.2013

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 15.06.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Gleis 4 (August 2011), auf das Wolfgang Grams während des Schusswechsels rücklings fiel, aus Sicht der damaligen Position der GSG-9-Beamten
Gleis 4 (August 2011), auf das Wolfgang Grams während des Schusswechsels rücklings fiel, aus Sicht der damaligen Position der GSG-9-Beamten

Lizenz: Dr. Mattias Kreutz at de.wikipedia
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Das Erste sendet am 24. Juni 2013 um 23.30 Uhr unter dem Titel "Zugriff im Tunnel" eine Dokumentation, die die Hintergründe des Polizeieinsatzes in Bad Kleinen im Juni 1993 neu aufrollt. Autor Egmont R. Koch kann sich bei seiner Rekonstruktion der tragischen Vorgänge am Bahnhof in Bad Kleinen auf eine Reihe bislang unbekannter Dokumente stützen. Zeitzeugen aus dem Bundeskriminalamt und aus der GSG 9, die seit dem Desaster in Bad Kleinen geschwiegen hatten, beziehen nun in dem ARD-Film verblüffend offen Stellung. Sie geben damit einen Einblick in die geheime Agenda, die Polizeiführung und Politiker in jenen Wochen verfolgten. Bei der Aktion vor fast genau 20 Jahren waren der mutmaßliche Terrorist Wolfgang Grams und der GSG 9-Polizist Michael-Newrzella ums Leben gekommen.

Ein internes Ablaufprotokoll des Bundeskriminalamtes (BKA) belegt nun erstmals, mit welchem gewaltigen Aufwand der Zugriff in Bad Kleinen geplant worden war. Neben der GSG 9, die für die eigentliche Verhaftung zuständig war, hatte das BKA insgesamt fast 100 Beamte vor Ort. Ein Aufwand, über den Insider heute den Kopf schütteln. "Ein Einsatz mit 99 Leuten für die Festnahme von zweien, die nicht wissen, dass sie festgenommen werden sollen, das ist irrational! Für mich unvorstellbar!", urteilt Wolfgang Steinke, damals Abteilungspräsident im Bundeskriminalamt. Und fährt fort: "Sehr viel mehr konnte nicht schieflaufen: Wir hatten doch noch nie einen Fall einer Festnahme eines Terroristen, den wir selbst organisiert hatten. Das war der erste Fall, und den mussten wir natürlich versieben!"

Auf das polizeiliche folgte im Sommer 1993 das politische Desaster. Weil der Verdacht aufkam, Wolfgang Grams könne am Bahnhof von Bad Kleinen von der GSG 9 regelrecht exekutiert worden sein, sah sich Bundesinnenminister Rudolf Seiters zum Rücktritt gezwungen. Generalbundesanwalt Alexander von Stahl wurde entlassen. "Ein Bauernopfer" - so sieht er es heute. Die damalige Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger habe das Desaster von Bad Kleinen benutzt, um ihn "über die Klinge springen lassen". Von Stahl heute: "Unser Verhältnis war nicht das allerbeste, so dass sie froh war, jemanden los zu werden, der seinen eigenen Kopf hatte."

Handfeste Konflikte gab es im Hintergrund auch zwischen den Sicherheitsbehörden über die Offenlegung des V-Manns Klaus Steinmetz. Dass Steinmetz bei der Polizeiaktion in Bad Kleinen vor Ort war, wollte der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz vertuschen - auch gegenüber dem Parlament. Hans-Ludwig Zachert, damals Präsident des Bundeskriminalamtes, sagt im ARD-Film: "Wir hatten die strikte Weisung, dass der dritte Mann (i.e. Steinmetz) nicht erwähnt wird. Denn der sollte ja wieder in die Szene rein." Und konstatiert: "Es war einfach eine Lüge."

Dass überdies der Verfassungsschutz mit Klaus Steinmetz einen V-Mann hatte, der viel tiefer in RAF-Strukturen eingebunden war als bislang bekannt und rechtlich zulässig ist, hält der ehemalige BKA-Chef für wahrscheinlich: "Ich bin überzeugt, dass Steinmetz einen Status in der Richtung hatte, ein RAF-Kommandomitglied zu sein oder zu werden." Der Verfassungsschutz hätte viele Erkenntnisse über seinen V-Mann zurückgehalten: "Ich gehe davon aus, dass wir nur 60 Prozent des Gesamtwissens überstellt bekommen haben." Die damaligen Akteure des Verfassungsschutzes in Rheinland-Pfalz wollen sich zu V-Mann Steinmetz heute nicht mehr äußern.

Das Agieren der Einsatzkräfte beim Zugriff vor Ort in Bad Kleinen trug übrigens teilweise skurrile Züge. Um eine Ferienwohnung, in dem sich die RAF-Terroristin Birgit Hogefeld gemeinsam mit V-Mann Steinmetz eingemietet hatte, aus der Nähe unbemerkt beobachten zu können, räumte das BKA ein Haus in der Nachbarschaft mit einem Trick. Einige Beamte des BKA inszenierten sich als Fernsehteam der Rudi Carrell-Show und überraschten die Bewohner mit einer Urlaubsreise, die allerdings sofort angetreten werden müsste. So zogen die Bewohner für einige Tage aus - und die Beschatter des BKA zogen ein.

Zugriff im Tunnel - Das tödliche Drama von Bad Kleinen Ein Film von Egmont R. Koch im Auftrag von SWR und NDR Montag, 24. Juni 2013, 23.30 Uhr im Ersten

Quelle: SWR - Das Erste (ots)

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