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Tintenfische als „Anti-Terror-Elite“

Archivmeldung vom 18.06.2007

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 18.06.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

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Wissenschaftler der Universität Frankfurt isolierten aus Tintenfischen ein Enzym, mit dem sich gefährliche Nervengase unschädlich machen lassen. So zum Beispiel nach einem Terrorangriff.

Wir erinnern uns: In der Hauptverkehrszeit am Morgen des 20. März 1995 verübte die japanische Aum-Sekte in der U-Bahn von Tokio einen Anschlag mit dem Nervengas Sarin. Zwölf Menschen starben, einige Hundert wurden verletzt. Der Anschlag hinterließ weltweit einen bitteren Nachgeschmack, denn zum ersten Mal bedienten sich Terroristen einer chemischen Waffe. Der chemisch korrekte Name für das Nervengas lautet „Methylfluorphosphonsäureisopropylester“ – die weitaus weniger zungenbrecherische Bezeichnung Sarin geht auf die Entdecker Schrader, Ambros, Rüdiger und Linde zurück, die 1938 im Rahmen ihrer Forschung Ester der Phosphorigsäure für den Einsatz als Insektenvertilgungsmittel untersuchten. Militärisch wurde Sarin bisher im Irak/Iran-Krieg eingesetzt, und Saddam Hussein setzte in einem verbrecherischen Akt im Jahre 1988 neben Senfgas auch Sarin gegen kurdische Minderheiten im Irak ein. Als relativ leicht flüchtige Flüssigkeit – der Siedepunkt liegt bei 158 °C – kann Sarin sowohl gasförmig über die Atemwege und die Augen als flüssig durch die Haut in den Körper gelangen. Dabei blockiert das Nervengift innerhalb weniger Minuten die Acetylcholinesterase, ein Enzym, das in der Übertragung von Nervenreizen zwischen zwei aufeinander folgenden Nervenzellen eine wichtige Rolle spielt. Bei Aufnahme über die Atemwege Sekunden bis wenige Minuten, bei Aufnahme durch die Haut bis zu 30 Minuten. Bei einer tödlichen Dosis tritt der Tod wenige Minuten nach Auftreten der ersten Symptome ein. Auch in der gegenwärtigen Situation können Giftgasanschläge durch Terroristen nicht ausgeschlossen werden. Gegen die Nervengas-Gruppe der organischen Phosphorverbindungen (Sarin, Soman, Tabun) existierten bisher nur wenige Gegen- oder Abwehrmittel. Zwar ist schon seit den 40er Jahre des vergangenen Jahrhunderts ein gegen Organophosphate wirkendes Enzym bekannt. Es kommt jedoch nur in sehr geringen Mengen im Gewebe und Serum von Menschen, Säugetieren, Vögeln, Wirbellosen und sogar Pflanzen vor. Die Mengen des Enzyms sind allerdings so gering, dass sie kaum zum Schutz vor Organophosphat-Kampfstoffen geeignet sind.

Gegenmittel vom Fischmarkt

Am Biophysikalischen Institut der Universität Frankfurt konnte jetzt allerdings eine Arbeitsgruppe unter Prof. Dr. Heinz Rüterjans ausreichend große Mengen dieses Enzyms gewinnen, um seine Struktur aufzuklären und das sie bildende Gen zu finden. Zur Isolierung des Enzyms DFPase wählte man Tintenfische (Loligo vulgaris) aus, die hierzulande in Fischmärkten zur Verfügung standen. Das Enzym kommt in den so genannten Kopfganglienzellen vor, musste aber zentnerweise aus Abfällen isoliert werden. Nach der Idenfizierung des Gens schleuste man es in Coli-Bakterien ein und konnte nun größere DFPase-Mengen gewinnen.

Anhand der aufgeklärten Struktur war man nun in der Lage, ein Modell des Reaktionsmechanismus aufzustellen und Angriffsmöglichkeiten für chemische Modifikationen und für zielgerichtete gentechnische Veränderungen zu ermitteln. Die isolierte Form der DFPase ist patentiert worden und kann nun zum Schutz vor terroristischen Anschlägen in Kilogramm-Mengen produziert werden. Nach den Vorstellungen der Forscher könnte es in Dekontaminationslösungen oder in Feuerlöschschaum eingesetzt werden.

Noch ungeklärt ist die Funktion und die Aufgabe der DFPase beim Tintenfisch selbst. Es könnte im Nervengewebe an bestimmten Stoffwechselvorgängen beteiligt sein. Ein Organophosphat findet sich in der Speicheldrüse der Tintenfische und kann von der DFPase abgebaut werden. Die Herkunft und der Zweck des Organophosphats im Körper der Tiere selbst ist ebenfalls unbekannt.

Quelle: Rolf Froböse, „Wenn Frösche vom Himmel fallen – die verrücktesten Naturphänomene“. (Wiley-VCH, 2007). Jetzt im Handel. 

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