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Zu Füßen der Dinosaurier: Ein jurassischer Bruder der Brückenechsen

Archivmeldung vom 01.11.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 01.11.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Bild 2 (Oenosaurus.jpg): Gaumenansicht des Schädels von Oenosaurus, mit den gut sichtbaren Zahnplatten. Maßstab ist 1 cm.
Quelle: Foto: BSPG (idw)
Bild 2 (Oenosaurus.jpg): Gaumenansicht des Schädels von Oenosaurus, mit den gut sichtbaren Zahnplatten. Maßstab ist 1 cm. Quelle: Foto: BSPG (idw)

Brückenechsen werden oft als klassisches Beispiel eines „lebenden Fossils“ angesehen und gelten als letzte Überlebende einer alten Entwicklungslinie, die den moderneren Eidechsen evolutiv hoffnungslos unterlegen war. Ein neuer Fund aus dem oberen Jura (vor ca. 148 Mio Jahren) Süddeutschlands zeigt nun, dass die Brückenechsen noch zur Zeit der Ausbreitung der Eidechsen eine ungewöhnlich hohe Anpassungsfähigkeit und ökologische Vielfalt aufwiesen, was die Idee der evolutiven Unterlegenheit in Frage stellt.

Bild 1 (Tuatara.jpg): Die bis zu 50 cm lange Brückenechse, Sphenodon punctatus, die auf einigen wenigen Inseln vor Neuseeland lebt.
Quelle: Foto mit freundlicher Genehmigung von Dr. Helmut Tischlinger. (idw)
Bild 1 (Tuatara.jpg): Die bis zu 50 cm lange Brückenechse, Sphenodon punctatus, die auf einigen wenigen Inseln vor Neuseeland lebt. Quelle: Foto mit freundlicher Genehmigung von Dr. Helmut Tischlinger. (idw)

Sie sieht aus wie eine “normale” Eidechse, aber gehört in Wirklichkeit zu einer alten Entwicklungslinie, die sich unabhängig von den Eidechsen entwickelt hat: Die Brückenechse, von der nur zwei Arten bekannt sind, die auf einigen wenigen kleinen Inseln vor Neuseeland leben. Mit einer Gehirnstruktur und einer Fortbewegungsweise, die oft als Intermediär zwischen Amphibien und Eidechsen bezeichnet wird, gehören Brückenechsen sicherlich zu den rätselhaftesten Reptilien und werden oft als typisches „lebendes Fossil“ angesehen, als hervorragendes Modell dafür, wie ein Urahne der Eidechsen ausgesehen haben mag. Zur Zeit der Dinosauriern, dem Mesozoikum („Erdmittelalter“) waren Vertreter der Rhynchocephalen („Schnabelköpfe“), zu denen die Brückenechsen gehören, allerdings divers und weit verbreitet. Die Frage, warum diese Gruppe im späten Erdmittelalter dem Untergang geweiht war und nur auf abgelegenenen Eilanden überlebte, schien bisher leicht zu beantworten: Mit ihrer so offensichtlich primitiven Struktur waren diese Tiere den sich in jener Zeit ausbreitenden Eidechsen und frühen Säugetieren klar unterlegen und wurden von diesen verdrängt. Waren sie dies wirklich?

Ein neuer fossiler Verwandter der Brückenechsen aus dem obersten Jura von Süddeutschland stellt diese Idee nun in Frage. In einem gerade in der wissenschaftlichen Zeitschrift PLoS One erschienenen Arbeit erhielt dieses Tier den Namen Oenosaurus muehlheimensis, zu Ehren des hervorragenden Weines von der Frankenalb und des Fundortes, dem kleinen Dorf Mühlheim, bei Mörnsheim. Oenosaurus sieht den heutigen Brückenechsen sehr ähnlich, unterscheidet sich von ihnen jedoch in der Bezahnung, die für Landwirbeltiere einzigartig ist. „Als das Stück gefunden wurde, und der Schädel nur in Gaumenansicht sichtbar war, rätselten wir alle, worum es sich wohl handeln könnte, da niemand von uns jemals eine solche Bezahnung bei einem offensichtlichen Landwirbeltier gesehen hatte“, erinnert sich Dr. Oliver Rauhut von der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie in München, der Erstautor der Studie. Die Zähne von Oenosaurus bestehen aus massiven Zahnplatten, deren Struktur darauf hindeutet, dass sie zeitlebens kontinuierlich wuchsen, um damit der Abnutzung entgegenzuwirken. Ähnliche Zähne kannte man bisher nur bei Fischen, etwa bei Meerkatzen (Verwandte der Haie) und Lungenfischen. „Wir haben eine Computertomographie der Zahnplatten gemacht, und als ich die Bilder davon einer englischen Kollegin zeigte, die auf Mikrostrukturen von Fischzähnen spezialisiert ist, fand sie zunächst nichts ungewöhnliches daran – bis ich ihr sagte, dass es sich um Zähne eines Reptiles handelt“, sagt Dr. Adriana López-Arbarello, Fisch-Spezialistin der Staatssammlung und eine der Co-Autorinnen der Arbeit. „Da fiel sie aus allen Wolken und konnte es erst gar nicht glauben“, fügt sie mit einem leichten Lächeln hinzu. Diese einmalige Bezahnung bedeutet eine bisher unbekannte ökologische Anpassung bei dieser Ur-Brückenechse, die offenbar auf das Knacken hartschaliger Nahrung spezialisiert war. Rhynchocephalien haben üblicherweise eine sehr spezialisierte Bezahnung, die zum Zerschneiden von Nahrung geeignet ist und von die man bisher als limitierenden Faktor bei der Evolution der Gruppe angesehen hat. Somit zeigt Oenosaurus, dass diese Gruppe sehr viel anpassungsfähiger war, als bisher angenommen, und unterstreicht ihre große morphologische und ökologische Vielfalt im oberen Jura in Europa, kurz bevor sie hier aus dem Fossilbericht verschwinden. Dies widerspricht der gängigen Hypothese, dass Rhynchocephalen den Eidechsen und frühen Säugetieren evolutiv unterlegen waren und die Verdrängung durch diese Gruppen ausreicht, um ihren Untergang zu erklären. Stattdessen dürften Klimaveränderungen im Zusammenhang mit dem Auseinanderbrechen des Superkontinentes Pangäa eine große Rolle bei dem Untergang der Rhynchocephalen gespielt haben.

Die Überreste von Oenosaurus wurden von Roland Pöschl in Gesteinen der Mörnsheim Formation im Steinbruch am Schaudiberg bei Mühlheim gefunden. Die Steinbruchbesitzer erkannten die wissenschaftliche Bedeutung des Fundes und spendeten ihn der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie in München. Die Mörnsheimer Schichten sind etwas jünger als die bekannten, darunterliegenden Solnhofener Schichten, aus denen unter anderem der berühmte Urvogel Archaeopteryx stammt. Sie sind sehr fossilreich, jedoch ist ihre Fauna viel weniger bekannt, da sie, im Gegensatz zu den Solnhofener Schichten, kaum kommerziell abgebaut werden. „Wir fangen gerade erst an, diese Gesteine zu erforschen, und das wird sicherlich noch viele weitere Überraschungen ergeben“, ist sich Alexander Heyng sicher. Der Geologe untersucht die Gesteinsabfolge am Schaudiberg und hat auch den Kontakt zwischen Steinbruchbesitzern und Paläontologen hergestellt. Ein großer Teil des Steinbruches ist der Öffentlichkeit inzwischen als Besuchersteinbruch zur Fossilsuche zugängig (http://www.besuchersteinbruch.de/). Somit kann jeder dort aktiv an der faszinierenden Entdeckung der jurassischen Lebewelt teilnehmen und die Wissenschaft in ihrer Aufgabe, die Wurzeln unserer modernen Lebewelt zu entziffern, unterstützen.

Quelle: Staatliche Naturwissenschaftliche Sammlungen Bayerns (idw)

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