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Weiter Rätsel um das Proton

Archivmeldung vom 26.01.2013

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 26.01.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Foto: Dr. Franz Kottmann, Dr. Randolf Pohl und Dr. Daniel Covita (von links nach rechts) stehen vor einem supraleitenden Magnet (5 Tesla), in dem das Experiment stattfindet. Im Inneren befinden sich die Myonendetektoren und die Wasserstoffzelle. Das starke Magnetfeld ist notwendig, um den Myonenstrahl auf etwa den Durchmesser eines Bleistiftes zu bündeln.
Quelle: © CREMA-Kollaboration, MPQ (idw)
Foto: Dr. Franz Kottmann, Dr. Randolf Pohl und Dr. Daniel Covita (von links nach rechts) stehen vor einem supraleitenden Magnet (5 Tesla), in dem das Experiment stattfindet. Im Inneren befinden sich die Myonendetektoren und die Wasserstoffzelle. Das starke Magnetfeld ist notwendig, um den Myonenstrahl auf etwa den Durchmesser eines Bleistiftes zu bündeln. Quelle: © CREMA-Kollaboration, MPQ (idw)

Internationales Forscherteam bestätigt mittels Laserspektroskopie an exotischem Wasserstoff unerwartet kleinen Protonenradius. Dieses Ergebnis sorgte bereits vor knapp drei Jahren für großes Aufsehen: Untersuchungen an exotischem Wasserstoff, bei dem statt eines Elektrons ein negativ geladenes Myon den Atomkern umkreist, lieferten einen signifikant kleineren Wert für den Protonenradius (genauer: Ladungsradius) als die bis dahin erfolgten Messungen an natürlichem Wasserstoff oder der Elektron-Proton-Streuung. Eine neue Messung desselben Teams bestätigt nun einerseits diesen Wert für den Ladungsradius und ermöglicht andererseits erstmalig die Bestimmung des magnetischen Radius des Protons mittels Laserspektroskopie an myonischem Wasserstoff.

Die neue Arbeit wird in der amerikanischen Fachzeitschrift Science vom 25. Januar 2013 veröffentlicht. Die Experimente wurden am Paul Scherrer Institut (PSI) im schweizerischen Villigen durchgeführt, das als einziges Forschungszentrum weltweit ausreichend viele Myonen für solche Untersuchungen erzeugt. Beteiligt waren unter anderem Forscher vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik (MPQ) in Garching bei München, die Eidgenössische Technische Hochschule (ETH) Zürich, die Universität Freiburg (Schweiz), das Institut für Strahlwerkzeuge (IFSW) der Universität Stuttgart, sowie von Dausinger & Giesen GmbH, Stuttgart. Die Ergebnisse fachen erneut die Debatte darüber an, ob die beobachteten Diskrepanzen eine konservative Erklärung finden werden, weil sie etwa auf mangelndes Verständnis der in allen Messungen auftretenden systematischen Fehler zurückgehen, oder ob am Ende doch „neue Physik“ dahinter steckt.

Bei den Untersuchungen der Naturgesetze spielt das chemische Element Wasserstoff seit vielen Jahren eine Schlüsselrolle. Sein Atomkern besteht aus einem einzigen Proton, um den ein Elektron kreist. Für die Energieniveaus in diesem denkbar einfachen Atom liefert die Quantenelektrodynamik sehr genaue Vorhersagen. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die elektrische Ladung des Protons – im Gegensatz zur Ladung des Elektrons – nicht in einem Punkt vereint ist. Vielmehr besteht das Proton aus Quarks, die durch „Klebeteilchen“ (Gluonen) zusammengehaltenen werden, so dass sowohl die elektrische Ladung als auch der Magnetismus im Proton über einen ausgedehnten Bereich verteilt sind. Diese Ausdehnung des Protons führt zu Verschiebungen der Energieniveaus im Wasserstoff – und im Umkehrschluss lassen sich aus gemessenen Verschiebungen die elektrischen und magnetischen Protonenradien bestimmen.

2010 veröffentlichten die Wissenschaftler die ersten spektroskopischen Messungen der Verschiebung des sog. 2S-Energieniveaus in myonischem Wasserstoff. Für die Herstellung dieser exotischen Variante beschossen sie Wasserstoff mit Myonen (diese Teilchen stimmen in fast allen Eigenschaften mit Elektronen überein, sind jedoch 200mal schwerer) aus einem Beschleuniger am PSI. Diese nehmen, wenn sie langsam genug sind, im Wasserstoffatom den Platz der Elektronen ein. Auf Grund seiner großen Masse kommt das Myon dem Proton sehr viel näher als das Elektron, dementsprechend stärker ist auch die Verschiebung der Energieniveaus. Ihre Messung stellt hohe technische Anforderungen an das Experiment: da die myonischen Wasserstoffatome sehr kurzlebig sind (Myonen leben etwa nur 2 Millionstel Sekunden), müssen die Lichtpulse für die Anregung der Resonanz innerhalb von Nanosekunden nach der Registrierung eines Myons auf das Wasserstofftarget abgefeuert werden. Der am Institut für Strahlwerkzeuge (IFSW) der Universität Stuttgart entwickelte Scheibenlaser war dabei ein wesentlicher Baustein zur Erfüllung dieser Anforderung. Die für die Anregung notwendigen Spektroskopielaser wurden gemeinsam vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik und dem Laboratoire Kastler Brossel (Paris) entwickelt.

In dem jetzt in Science beschriebenen Experiment wurde die Verschiebung für einen weiteren Übergang in myonischem Wasserstoff bestimmt. Daraus konnten die Wissenschaftler zum einen erneut den elektrischen Protonenradius ermitteln. Der Wert von 0.84087(39) Femtometern (1 fm = 0.000 000 000 000 001 Meter) ist in Übereinstimmung mit dem 2010 veröffentlichten (0,84184 fm), jedoch noch 1,7mal genauer. Die Diskrepanz zu den Messungen im normalen Wasserstoff bzw. zur Elektron-Proton-Streuung hat also an Gewicht gewonnen.

Die neue Messung erlaubt zudem nun erstmals die Bestimmung des magnetischen Radius des Protons aus der Laserspektroskopie an myonischem Wasserstoff. Der so bestimmte Wert von 0.87(6) Femtometern stimmt gut mit den bisherigen Werten überein. Auch wenn die Genauigkeit derzeit nicht besser ist als die der bisherigen Messungen, birgt die Laserspektroskopie von myonischem Wasserstoff das Potenzial, die Messgenauigkeit für den magnetischen Radius in Zukunft deutlich zu steigern.

Den Ursachen des Proton-Rätsels auf den Grund zu gehen ist weltweit Motivation für vielseitige Untersuchungen. Einerseits werden die alten Messungen im Wasserstoff und in der Elektronenstreuung neu analysiert oder wiederholt. Zum andern beteiligen sich Theoretiker vieler Fachrichtungen intensiv an der Suche nach der Lösung. Äußerst spannende Vorschläge versuchen, die beobachtete Diskrepanz durch Physik jenseits des Standardmodells zu erklären. Aber es könnte auch sein, dass das Proton eine viel komplexere Struktur hat als bisher angenommen, die jedoch erst unter dem Einfluss des schweren Myons deutlich wird. Um diesen Effekt abzuklären, sind weitere Messungen notwendig. So sind bereits Experimente zur Myon-Proton-Streuung am PSI in Planung. Am Elektronenbeschleuniger in Mainz sind neue Präzisionsmessungen im Gespräch. Und die Spektroskopie myonischer Atome wird vorangetrieben: so wird dieses Jahr erstmalig auch myonisches Helium spektroskopisch vermessen – von derselben Forschergruppe, wiederum am PSI. Dazu wird auch das Lasersystem angepasst und überarbeitet, wozu an der ETH Zürich (Prof. Dr. Klaus Kirch, Dr. Aldo Antognini) und am IFSW (Prof. Dr. Thomas Graf, Dr. Andreas Voß) derzeit das vom Schweizerischen Nationalfond (SNF) und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Gemeinschaftsprojekt „Thin-disk laser for muonic atoms spectroscopy“ läuft. Auch vom European Research Council (ERC) wird das Projekt „Myonisches Helium“ großzügig gefördert: Dr. Randolf Pohl vom MPQ in Garching erhielt für das Projekt einen ERC Starting Grant. O. Meyer-Streng (MPQ)

Quelle: Max-Planck-Institut für Quantenoptik (idw)

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