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Planctomyceten sind keine Vorfahren der Eukaryoten: Braunschweiger Forscher schreiben Lehrbücher um

Archivmeldung vom 12.04.2017

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 12.04.2017 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Kryo-elektronenmikroskopische Aufnahmen (oben) und 3D Rekonstruktion (unten) eines Planctomyceten mit weit ins Zellinnere ragenden Einstülpungen der Zytoplasmamebran (hellblau) Quelle: Boedecker et al. 2017, Nature Communications, doi: 10.1038/ncomms14853 (idw)
Kryo-elektronenmikroskopische Aufnahmen (oben) und 3D Rekonstruktion (unten) eines Planctomyceten mit weit ins Zellinnere ragenden Einstülpungen der Zytoplasmamebran (hellblau) Quelle: Boedecker et al. 2017, Nature Communications, doi: 10.1038/ncomms14853 (idw)

Die Planctomyceten gelten aufgrund ungewöhnlicher, zellbiologischer Eigenschaften als fortgeschrittene Bakterien, die Zellkompartimente und teilweise sogar ein Art Zellkern wie pflanzliche und tierische Zellen aufweisen. Wissenschaftler des Leibniz-Institut DSMZ konnten nun nachweisen, dass diese Lehrbuchmeinung auf nicht ausreichende Untersuchungsmethoden zurückgeht. Planctomyceten sind demnach klassische gramnegative Bakterien und kein Bindeglied zu den komplexeren Eukaryoten. Sie verfügen aber über besondere Eigenschaften wie etwa Einstülpungen der Zytoplasma-Membran oder eine molekulare Angel zur Bindung von Nährstoffen. .

Die Gruppe der Planctomyceten nimmt innerhalb der Bakterien eine besondere Stellung ein. Ungewöhnliche zellbiologische Eigenschaften machten eine systematische Zuordnung lange Zeit schwierig. In Lehrbüchern werden sie bis heute häufig als fortgeschrittene Bakterien, sozusagen evolutiv auf dem Weg zu den höher entwickelten, komplexeren Zellen der Pflanzen und Tiere angesehen. Dr. Christian Jogler und Christian Boedecker vom Leibniz-Institut DSMZ konnten zusammen mit weiteren Wissenschaftlern nun nachweisen, dass Planctomyceten zwar besondere Merkmale haben, dennoch aber klassische Bakterien sind und kein Bindeglied zu den Eukaryoten. Die Ergebnisse haben die Wissenschaftler jetzt im Fachjournal Nature Communications veröffentlicht.

Die besondere Position der Planctomyceten beruhte auf ihrer ungewöhnlichen Zellbiologie. Bisherige Forschungsergebnisse deuteten darauf hin, dass sie - wie pflanzliche und tierische Zellen – innerhalb der Zelle durch Membranen abgegrenzte Funktionsbereiche und sogar eine Art Zellkern besitzen, das wichtigste Unterscheidungsmerkmal zwischen Prokaryoten und Eukaryoten. Im Gegensatz dazu schien den Planctomyceten eine Zellwand aus Peptidoglykan und damit eines der typischsten Bakterien-Merkmale zu fehlen.

Mikrobiologe Christian Jogler, zuletzt Leiter der Nachwuchsforschergruppe „Mikrobielle Zellbiologie und Genetik“ an der Deutschen Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen in Braunschweig, konnte bereits in einer früheren Studie nachweisen, dass Planctomyceten sehr wohl eine typische Peptidoglykan-Zellwand besitzen. In seiner nun veröffentlichten Studie weist er zudem nach, dass auch die vermuteten Zellkompartimente lediglich Artefakte sind, die auf nicht ausreichende Untersuchungsmethoden zurückgehen.

Planctomyceten sind demnach klassische gramnegative Bakterien – wohl aber mit besonderen Eigenschaften. Jogler nutzte für seine Arbeit neben bioinformatischen Methoden und Genomanalysen auch ein hochmodernes, an der DSMZ etabliertes dSTORM-Lichtmikroskop mit einer einzigartig hohen Auflösung. Damit konnten die Forscher nachweisen, dass Planctomyceten eine definierte Zytoplasma-Membran und einen für Bakterien ungewöhnlichen periplasmatischen Raum aufweisen, welcher zudem stark vergrößert werden kann. „Unsere extrem hoch auflösenden Aufnahmen zeigen, dass es sich entgegen der Lehrmeinung nicht um Zellkompartimente handelt, sondern um Einstülpungen der Zytoplasma-Membran, die vermutlich der Lagerung von Nährstoffen dienen“, erläutert Jogler. Sie sind auch die Erklärung für den manchmal identifizierten Zellkern. Denn wenn sich die Einstülpungen zufällig um die DNA legen, erscheinen sie in geringer aufgelösten, zweidimensionalen Aufnahmen fälschlicherweise als doppelwandiger Kern. „Planctomyceten haben keinen Zellkern“, stellt Jogler fest.

Joglers Team konnte zudem die Aufnahme von Nährstoffen durch Endozytose, einem Prozess der einzigartig für Eukaryoten und Planctomyceten zu sein schien, wiederlegen. Unterstützt werden könnte die Nährstoffaufnahme hingegen von Strukturen, die molekularen Angeln ähneln, die die Wissenschaftler an der Oberfläche der Planctomyceten nachgewiesen haben. Dabei handelt es sich vermutlich um Proteinfäden, die Nährstoffe wie Zucker binden, welche dann in den vergrößerten periplasmatischen Raum hineingezogen werden. Die genaue Funktionsweise ist jedoch noch unklar. Jogler und seine Kollegen haben insgesamt sechs Jahre an diesem Forschungsprojekt gearbeitet.

Planctomyceten sind eine Gruppe weltweit vorkommender Bakterien. Viele Arten leben aquatisch in Süß- und Salzwasser. Sie gelten als relativ unerforscht, da sie trotz ihrer ungewöhnlichen Eigenschaften bislang nicht im Zentrum des wissenschaftlichen Interesses standen. Aufgrund einer weiteren Besonderheit ist das Interesse an Planctomyceten zuletzt aber gestiegen: Sie sind Produzenten antibiotisch aktiver Substanzen, die das Potential für neue Medikamente haben.

Quelle: Leibniz-Institut DSMZ-Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH (idw)

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