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Entdeckung neuer Eisenoxide weist auf große Sauerstoffquelle im Erdmantel

Archivmeldung vom 11.02.2016

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 11.02.2016 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Struktur des neu entdeckten Eisenoxids Fe₅O₇
Quelle: Elena Bykova/Universität Bayreuth (idw)
Struktur des neu entdeckten Eisenoxids Fe₅O₇ Quelle: Elena Bykova/Universität Bayreuth (idw)

Bei Versuchen mit einer speziellen Hochdruckzelle an DESYs Röntgenlichtquelle PETRA III und ähnlichen Einrichtungen haben Forscher zwei neue Eisenoxide entdeckt. Die Beobachtung weist auf die Existenz einer großen, bislang unbekannten Sauerstoffquelle im unteren Erdmantel hin, wie das Team um Hauptautorin Dr. Elena Bykova von der Universität Bayreuth im Fachblatt „Nature Communications“ berichtet.

Struktur des neu entdeckten Eisenoxids Fe₂₅O₃₂
Quelle: Elena Bykova/Universität Bayreuth (idw)
Struktur des neu entdeckten Eisenoxids Fe₂₅O₃₂ Quelle: Elena Bykova/Universität Bayreuth (idw)

Eisenoxid kommt in der Natur in unterschiedlichen Verbindungen vor. „Das häufigste Eisenoxid ist Hämatit, Fe₂O₃, das ein Endprodukt vieler geologischer Prozesse darstellt und die wichtigste Eisenquelle unserer Zivilisation ist“, erläutert Bykova. In den vergangenen fünf Jahren haben Forscher neue Eisenoxidverbindungen wie Fe₄O₅, Fe₅O₆, und Fe₁₃O₁₉ entdeckt, die sich bei hohem Druck und hohen Temperaturen bilden. Um das Verhalten von Hämatit und dem ebenfalls häufigen Magnetit (Fe₃O₄) unter Extrembedingungen weiter zu untersuchen, nutzte das Team um Bykova eine besondere Druckzelle an DESYs „Extreme Conditions“-Messstation P02.2.

„In dieser sogenannten Diamantstempelzelle können kleine Proben zwischen zwei Diamanten einem Druck von einigen hunderttausend Atmosphären ausgesetzt werden, wobei ein sorgfältig justierter Laser die Probe durch die transparenten Diamantstempel hindurch auf mehrere tausend Grad Celsius erhitzen kann“, beschreibt der Leiter der Messstation und Ko-Autor der Studie, Dr. Hanns-Peter Liermann von DESY. Dabei lassen sich mit dem außergewöhnlich hellen und feinen Röntgenstrahl von PETRA III Strukturänderungen in dem untersuchten Material verfolgen. Ähnliche Messungen fanden auch an der Europäischen Synchrotronquelle ESRF in Grenoble und an der US-Röntgenquelle APS in Chicago statt.

Bei einem Druck von mehr als 67 Gigapascal (das entspricht dem 670 000-fachen Atmosphärendruck) und einer Temperatur von rund 2400 Grad Celsius zerfiel das Hämatit und bildete ein neues Eisenoxid, Fe₅O₇, das zuvor noch nie beobachtet worden war. Druck und Hitze entsprachen dabei in etwa den Bedingungen in 1500 Kilometern Tiefe unter der Erdoberfläche. Bei einem noch höheren Druck von rund 70 Gigapascal, entsprechend einer Tiefe von 1670 Kilometern, zerfiel auch Magnetit, und es bildete sich das ebenfalls zuvor unbekannte Eisenoxid Fe₂₅O₃₂. Das Besondere daran: Die Bildung beider bisher unbekannten Eisenoxide setzt Sauerstoff frei.

Obwohl Eisenoxid normalerweise nicht im großen Maß im unteren Erdmantel auftritt, kann es über sogenannte Subduktionszonen dorthin befördert werden, wenn eine tektonische Platte unter eine andere gleitet. Hämatit und Magnetit sind Hauptbestandteile bestimmter urzeitlicher Eisenablagerungen, Bändererz und Eisenstein, die auf allen Kontinenten vorkommen. Diese Formationen können mehrere hundert Meter dick werden und Ausdehnungen von hunderten Kilometern aufweisen. Als zwei Milliarden Jahre alte Ablagerungen bilden sie weltweit einen Teil des Ozeanbodens. Über die Subduktion wird das Bändererz quasi im Erdinneren recycelt, wobei es in große Tiefen getragen werden kann, möglicherweise sogar bis zur Grenzregion von Erdmantel und Erdkern.

Unter Bedingungen, die dem unteren Erdmantel entsprechen, zerfallen Hämatit und Magnetit jedoch und setzen dabei große Mengten einer sauerstoffreichen Flüssigkeit frei (Sauerstoff ist unter solchen Bedingungen üblicherweise flüssig), wie das Team nun beobachtet hat. „Wir schätzen, dass diese Quelle bis heute Sauerstoff in einem Umfang freigesetzt hat, der der acht- bis zehnfachen Masse des Sauerstoffs in der Atmosphäre entspricht“, beschreibt Bykova. „Das ist überraschend, und es ist nicht klar, was mit dem Sauerstoff dort unten passiert.“

Die sauerstoffreiche Flüssigkeit könnte lokal das umgebende Gestein oxidieren oder zur Übergangszone oder sogar bis in den oberen Mantel aufsteigen. „Das bleibt zu untersuchen“, sagt Ko-Autor Dr. Maxim Bykov von der Universität Bayreuth. „Zurzeit können wir nur sagen, dass es dort eine riesige Sauerstoffquelle im Mantel gibt, die geochemische Prozesse wesentlich beeinflussen kann, indem sie Oxidationszustände ändert und Spurenelemente mobilisiert. Das wird ein großes neues Modellierungsfeld eröffnen.“

Die Entdeckung der neuen Eisenoxide trage daher nicht nur zum Wissen über die grundlegenden Eigenschaften dieser Substanzen bei, betont Bykov. „Unsere Arbeit zeigt, dass uns wesentliche Teile der Erdprozesse nach wie vor unbekannt sind. Abtauchende Platten können offensichtlich unerwartete Effekte bewirken. Die Auswirkungen auf die globalen Dynamiken der Erde, einschließlich Klimavariationen, müssen noch untersucht werden.“

Das Deutsche Elektronen-Synchrotron DESY ist das führende deutsche Beschleunigerzentrum und eines der führenden weltweit. DESY ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft und wird zu 90 Prozent vom BMBF und zu 10 Prozent von den Ländern Hamburg und Brandenburg finanziert. An seinen Standorten in Hamburg und Zeuthen bei Berlin entwickelt, baut und betreibt DESY große Teilchenbeschleuniger und erforscht damit die Struktur der Materie. Die Kombination von Forschung mit Photonen und Teilchenphysik bei DESY ist einmalig in Europa.

Quelle: Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY (idw)

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