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Können Baumringe Vulkanausbrüche vorhersagen?

Archivmeldung vom 09.03.2017

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 09.03.2017 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Das Basaltgestein des im Jahr 2002/2003 ausgebrochenen Ätnas bedeckte Teile des Waldes unter sich.
Quelle: Bild: Ruedi Seiler, WSL (idw)
Das Basaltgestein des im Jahr 2002/2003 ausgebrochenen Ätnas bedeckte Teile des Waldes unter sich. Quelle: Bild: Ruedi Seiler, WSL (idw)

Auf der Suche nach besseren Indizien für bevorstehende Vulkanausbrüche sind Wissenschaftler der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL und der ETH Zürich auf einen überraschenden Kandidaten gestossen: Jahrringe von Bäumen könnten Eruptionen ankünden.

Einige der rund fünfzig Baumproben, die die Forscher am Ätna entlang des Lavaflusses vom Ausbruch im Jahr 1974 als Bohrkerne entnahmen. Quelle: Bild: Thomas Appert (idw)
Einige der rund fünfzig Baumproben, die die Forscher am Ätna entlang des Lavaflusses vom Ausbruch im Jahr 1974 als Bohrkerne entnahmen. Quelle: Bild: Thomas Appert (idw)

Auf dieses mögliche Frühwarnsystem wurde Nicolas Houlié, Geophysiker an der ETH Zürich, im Jahr 2001 aufmerksam. Er bemerkte auf einem Satellitenbild eine drei Kilometer lange, grüne Line an der Nordostflanke des Ätna. Diese Linie spiegelt einen hohen sogenannten Normalized Difference Vegetation Index NDVI wieder – je höher dieser Wert, desto besser gedeiht dort die Vegetation. Das Erstaunliche: Genau entlang dieser Linie spie der Vulkan ein Jahr später Feuer.

Vulkanologen und Dendrochronologen spannen zusammen

Jahrringforscher sind sich einig, dass besagter NDVI-Wert mit dem Baumwachstum zusammenhängt, und sich somit in der Jahrringbreite niederschlägt. Deshalb starteten der Geograph Ruedi Seiler, Doktorand an der WSL und der Jahrringforscher (Dendrologe) Paolo Cherubini, Leiter der Dendrochronologie an der WSL zusammen mit Houlié vor vier Jahren ein disziplinübergreifendes, vom Schweizer Nationalfonds finanziertes Forschungsprojekt. Ihre ungewöhnliche Idee erschien nun im Fachjournal Scientific Reports: Jahrringe geben Auskunft über vulkanische Abläufe vor Eruptionen.

Denn die in der Wachstumsperiode gebildeten Ringe in Baumstämmen sind wichtige Umweltarchive: Die Jahrringbreite wiederspiegelt die Wachstumsbedingungen der Bäume, die eine Kombination von Temperatur, Niederschlag und Nährstoffen während einer Vegetationsperiode sind. „Am Ätna und anderen vulkanischen Regionen könnte die Jahrringbreite zudem von der vulkanischen Aktivität beeinflusst werden“, vermutet Seiler.

Kurze voreruptive Phase?

Erste Feldarbeiten unternahmen die Forscher unter der Leitung von Cherubini entlang der Lavaflüsse, die der Ätna im Januar 1974 auf der Westseite ausgespien hatte. Dort beobachteten italienische Forscher nämlich im Jahr 1975 ebenfalls eine Anomalie auf Satellitenbildern vor der Eruption.

Anhand von über fünfzig Baumproben wollte Seiler allfällige voreruptive Signale in Baumringen ermitteln. Die Forscher stellten allerdings fest, dass der Jahrring des Sommers 1973 weder besonders breit noch schmal war.

„Wenn vulkanische Aktivität die Jahrringe tatsächlich beeinflusst, begann die voreruptive Phase des Ausbruchs von 1974 wohl erst, als die Bäume ihr saisonales Wachstum bereits eingestellt hatten“, sagt Seiler. Die ermittelte Dauer der voreruptiven Phase, die demnach nur einige Monate dauerte, stimmt jedenfalls mit den Ergebnissen von früheren geochemischen und geophysikalischen Studien überein.

Eingeschränktes Wachstum nach Ausbruch

Obwohl die Bäume vor dem Ausbruch 1974 keine Veränderungen im Wachstum zeigten, wuchsen sie in den zwei darauffolgenden Sommern weniger als in anderen Jahren, wie die Forscher in Scientific Reports schreiben. „In dieser Beobachtung sehe ich ein grosses Potenzial: Vielleicht können wir auch kleine Flankeneruptionen mithilfe von Jahrringen zuverlässig datieren“, sagt der Vulkanexperte Houlié. Denn das Verhalten eines Vulkans in der Vergangenheit kann Auskunft über seine zukünftigen Aktivitäten geben, und somit den Bevölkerungsschutz verbessern.

Dank Echtzeit-Überwachung mit GPS, Seismometern und Gasüberwachungsgeräten sind Eruptionen der letzten zwanzig Jahre gut aufgezeichnet. In den 2‘000 Jahren davor hingegen sind Vulkanausbrüche nicht zuverlässig datierbar; der Zeitpunkt noch älterer Vulkanereignisse wiederum ist mithilfe der sogenannten C14-Methode relativ gut erfasst. „Jahrringdaten könnten diese Informationslücke zwischen 20 und 2‘000 Jahren schliessen“, zeigt sich Houlié optimistisch. Die Forscher wollen die Frage, ob Jahrringe bei der Vorhersage von Vulkanausbrüchen hilfreich sein können, jedenfalls weiter verfolgen.

Quelle: Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL (idw)

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