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Turbulenzen in der Tiefe – Neue Studie zu Auswirkungen des Tohoku-Bebens am Meeresgrund

Archivmeldung vom 06.08.2013

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 06.08.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Im Geolabor der SONNE: Prof. Michael Strasser (rechts) diskutiert mit japanischen Kollegen über die
Quelle: Foto: V. Diekamp, MARUM, Universität Bremen (idw)
Im Geolabor der SONNE: Prof. Michael Strasser (rechts) diskutiert mit japanischen Kollegen über die Quelle: Foto: V. Diekamp, MARUM, Universität Bremen (idw)

Am Nachmittag des 11. März 2011 bebte vor der Küste der japanischen Region Tohoku die Erde für 150 lange Sekunden. Das Seebeben der Stärke 9 löste einen Tsunami aus, der weite Küstenstriche verwüstete und über 15.000 Menschen das Leben kostete. In der August-Ausgabe der Zeitschrift Geology beschreibt ein europäisch-japanisches Forscherteam jetzt, welche Spuren das Ereignis auf dem Meeresgrund hinterließ: Am Abhang des bis zu 7,5 Kilometer tiefen Japan-Grabens sackten mindestens 28 Quadratkilometer Meeresboden ruckartig in die Tiefe. Die oberflächennahe Grenze zweier Erdplatten verschob sich dadurch um sage und schreibe zwei bis drei Kilometer nach Osten!

Unmittelbar nach dem katastrophalen Ereignis vor der Insel Honshu entwickelten japanische und deutsche Geowissenschaftler Expeditionspläne, um den Folgen des Bebens auf den Grund zu gehen. Bereits zehn Monate später war das japanische Forschungsschiff MIRAI vor der Tohoku-Küste im Einsatz. Auf Initiative des damaligen MARUM-Direktors Prof. Gerold Wefer und gefördert von Bundesregierung (BMBF) und Deutscher Forschungsgemeinschaft fand im Februar/März 2012 eine deutsch-japanische Fahrt mit dem Forschungsschiff SONNE statt. Dabei wurde der Meeresboden östlich des Epizentrums kartiert und beprobt. Im Wissenschaftsmagazin Geology stellen die Expeditionsteams jetzt erste Ergebnisse der beiden Forschungsreisen vor.

Ziel der Expeditionen waren Gebiete, in denen die Pazifische Platte unter der Ochotsk-Platte mit dem japanischen Vulkanbogen abtaucht. Häufige Erdbeben sind die Folge. Das Tohoku-Beben erreichte die Stärke 9, weil an den ineinander verkeilten Plattengrenzen Energien freigesetzt wurden, die sich seit dem letzten Megabeben im Jahre 869 aufgestaut hatten. Schon vor ihrer Forschungsreise wussten die Forscher, dass das Tohoku-Beben die Erdkruste vor Honshu auf einer Länge von 400 Kilometern aufgerissen und Teile der Küste ruckartig um bis zu fünf Meter Richtung Osten versetzt hatte. Am Rand des Japan-Grabens betrug der Versatz von Teilen der Erdkruste sogar über 50 Meter. Unbekannt war indes, was sich im 7,5 Kilometer tiefen Graben selbst abgespielt hatte.

Deshalb kartierten die Wissenschaftler an Bord der SONNE zunächst den Kilometer breiten Japan-Graben mit Hilfe von bordeigenen Echolotsystemen. Als sie diese Daten mit jenen verglichen, die 1999 und 2004, also weit vor dem Beben erhoben worden waren, konnten sie sich ein genaueres Bild davon machen, wie das Beben die Gestalt des Meeresbodens verändert hatte.

Um mehr über die Umgestaltung des Meeresbodens heraus zu finden, zog das Expeditionsteam im Japan-Graben aus Wassertiefen von rund 7,5 Kilometer mehrere, knapp neun Meter lange Sedimentkerne. „Die im Lauf der Zeit abgelagerten Sedimentschichten waren weitgehend ungestört“, sagt Erstautor Prof. Michael Strasser von der ETH Zürich. „Damit konnten wir ausschließen, dass – ausgelöst durch das Beben – große Sedimentmassen abgerutscht, sich chaotisch hangabwärts bewegt und am Grund des Japan-Grabens wieder ablagert hatten.“ Lediglich an einigen wenigen Stellen fanden die Forscher Hinweise auf solch turbulent transportierte und umgelagerte Sedimente.

In einem weiteren Schritt analysierten die Wissenschaftler das in den Sedimentkernen enthaltene Porenwasser. Es findet in den Millimeter winzigen Räumen zwischen den Sedimentpartikeln Platz. „Wir haben Profile erstellt, die zeigen, wie sich die Sulfatgehalte im Meeresboden verändern“, sagt Dr. Martin Kölling, Geochemiker am MARUM. „Bei ungestörtem Meeresboden nimmt der Sulfatgehalt linear mit zunehmender Sedimenttiefe ab. Genau dieses Bild zeigte auch die Vielzahl unserer Proben.“ Einige der turbulent transportierten Sedimente boten die Möglichkeit, mit Hilfe von Modellen die Bewegungen im Japan-Graben zeitlich einzuordnen: Sie konnten sich erst in jüngster Vergangenheit ereignet haben und sind daher dem Tohoku-Erdbeben zuzuschreiben.

„Auf der Grundlage all dieser Untersuchungen gehen wir von folgendem Szenario aus: Der durch das Beben ausgelöste ruckartige Versatz der Erdkruste um 50 Meter führte dazu, dass am Rand des Japan-Grabens großflächig Sedimentpakete als zusammenhängende Blöcke absackten“, bilanziert Michael Strasser. „An manchen Stellen stauchten die absackenden Sedimente den Meeresboden. So entstanden Wülste und Tröge am Grund des Japan-Grabens.“

Besonders erstaunt war das Forscherteam indes über einen weiteren Befund: Durch die Bewegungen der Sedimentmassen verschob sich die oberflächennahe Grenze der eurasischen Platte um zwei bis drei Kilometer nach Osten! „Als Geowissenschaftler sind wir es gewohnt, in sehr langen Zeiträumen von Jahrhunderttausenden oder gar -millionen zu denken“, sagt Prof. Gerold Wefer. „Diese Expeditionen haben uns gezeigt, dass Plattengrenzen bisweilen auch von plötzlichen Ereignissen in Sekunden oder Minuten tiefgreifend verändert werden können.“

Quelle: MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen (idw)

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