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Meeresspiegelanstieg in Vergangenheit und Zukunft: robuste Abschätzungen für Küstenplaner

Archivmeldung vom 24.02.2016

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 24.02.2016 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Bild: Katharina Wieland Müller / pixelio.de
Bild: Katharina Wieland Müller / pixelio.de

Der Meeresspiegel wird weltweit um wahrscheinlich 50 bis 130 Zentimeter bis Ende des Jahrhunderts ansteigen, wenn der Ausstoß von Treibhausgasen nicht entschlossen gesenkt wird. Das zeigt eine neue Studie, die erstmals die zwei wichtigsten Methoden zur Abschätzung des Meeresspiegelanstiegs kombiniert und zu einer robusteren Risikoabschätzung kommt. Eine zweite Studie, die ebenfalls in den US Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlicht wird, untersucht erstmals auf globaler Ebene Daten zum Meeresspiegelanstieg der letzten 3000 Jahre. Das Papier bestätigt, dass der Meeresspiegel in den vergangenen Jahrtausenden nie schneller angestiegen ist als im letzten Jahrhundert.

Zusammen liefern die beiden Studien wichtige Informationen für Küstenplaner. Als Werkzeug für Experten machen die Autoren ihre Daten zum zukünftigen Anstieg des Meeresspiegels online frei verfügbar.

„Mit all den bereits emittierten Treibhausgasen in der Atmosphäre können wir den Meeresspiegelanstieg zwar nicht mehr verhindern, aber durch das Beenden der Nutzung fossiler Brennstoffe noch deutlich begrenzen“, sagt Anders Levermann, Forschungsbereichsleiter für Anpassung am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Wissenschaftler an der New Yorker Columbia-Universität/Lamont-Doherty Earth Observatory und Ko-Autor der Studie zum künftigen Meeresspiegelanstieg. „Wir wollen Küstenplanern die notwendigen Hintergrundinformationen geben für ihre Anpassungsplanung, die vom Deichbau über Versicherungskonzepte für Überflutungen bis hin zu langfristigen Siedlungsentwicklungen reichen können.“

Anpassung ist auch nach dem Paris-Abkommen eine Herausforderung

Die Wissenschaftler machen den Code ihrer Computersimulationen online verfügbar, damit Experten diese Informationen für Risikoabschätzungen nutzen können. Auch bei einer ambitionierten Klimapolitik, die dem Pariser Klimaabkommen von 2015 folgt, wäre mit einem Meeresspiegelanstieg von 20-60 Zentimetern bis 2100 zu rechnen – daher die Bedeutung für den Küstenschutz. „Schon ein solcher verminderter Anstieg wäre eine ziemliche Herausforderung, aber weniger teuer als die Anpassung an ungebremsten Meeresspiegelanstieg, die in manchen Regionen der Welt sogar völlig unmöglich sein würde“, so Levermann. „Wenn die Welt die größten Verluste und Schäden vermeiden möchte, müssen wir jetzt rasch dem Pfad folgen, auf den sich die UN-Klimakonferenz in Paris vor einigen Wochen geeinigt hat.“

Für den künftigen Meeresspiegelanstieg haben die Wissenschaftler zwei Ansätze kombiniert. Um den Anstieg abschätzen zu können, nutzen sie prozessbasierte Computersimulationen, die den Beitrag schmelzender Gletscher, den Masseverlust der Eisschilde und die thermische Expansion des Meerwassers errechnen – wärmeres Wasser nimmt gemäß den physikalischen Gesetzen mehr Platz ein. Diese Simulationen sind sehr zeitaufwändig. Als Alternative wurden bislang auch statistische Analysen verwendet, die leichter und schneller zu erstellen sind. „Unser Werkzeug ist so konzipiert, dass es sowohl zu den Beobachtungen der Vergangenheit als auch zu den langfristigen physikalischen Prozessen der verschiedenen Elemente des Erdsystems passt“, sagt Leitautor Matthias Mengel vom PIK. „Vor allem aber ist unsere Berechnungsmethode schnell und leicht reproduzierbar, so dass viele Simulationsdurchläufe möglich sind, um die Wahrscheinlichkeiten des Meeresspiegelanstiegs zu errechnen.“

Der Meeresspiegelanstieg der Zukunft kann nicht auf eine einzelne Zahl heruntergebrochen werden, er wird durch eine Spanne ausgedrückt, die zunächst vielleicht groß erscheint. „Diese Spanne ermöglicht uns eine Risikoabschätzung“, sagt Ben Marzeion von der Universität Bremen. „Küstenplaner sollten sowohl vernünftige Einschätzungen zum schlimmsten wie auch zum günstigsten möglichen Fall haben, um Chancen und Kosten abwägen zu können. Die beste verfügbare Wissenschaft wird nun zusammengeführt, um gemeinsame Unsicherheitsspannen von künftigem Meeresspiegel zu bestimmen. Treibhausgase zu reduzieren gibt uns die Möglichkeit, eine weitere Beschleunigung des Meeresspiegelanstiegs zu verhindern.“

In 3000 Jahren ist der Meeresspiegel nie schneller gestiegen als im letzten Jahrhundert

Die Studie zum künftigen Meerespiegelanstieg wird durch eine weitere Studie zum Meeresspiegelanstieg der Vergangenheit gestützt: beide liefern fast identische Meeresspiegelabschätzungen für das 21. Jahrhundert. Außerdem überlappen sich die neuen Schätzungen mit den Ergebnissen im jüngsten Bericht des Weltklimarat IPCC.

„Unsere Studie ist für den Meeresspiegel so etwas wie die berühmte ‚Hockeyschläger-Kurve‘ für die globale Temperatur“, sagt Stefan Rahmstorf, Ko-Autor des Artikels zum Meeresspiegelanstieg der Vergangenheit und Ko-Leiter des PIK-Forschungsbereichs Erdsystemanalyse. „Wir können bestätigen, was frühere und lokalere Meeresspiegeldaten schon nahegelegt haben: In den vergangenen Jahrtausenden ist der Meeresspiegel nie schneller angestiegen als im letzten Jahrhundert.“ Auf der Basis dieser Analyse vergangener Jahrtausende natürlicher Meeresspiegelschwankungen konnte die neue Studie abschätzen, wie stark menschliche Aktivitäten zum modernen Meeresspiegelanstieg beigetragen haben: Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit wurde mehr als die Hälfte des Meeresspiegelanstiegs im 20. Jahrhundert vom Menschen verursacht – und möglicherweise sogar der gesamte Anstieg.

Die Bestätigung früherer Annahmen ist – so wenig spannend das zunächst klingen mag – für den Fortschritt wissenschaftlicher Erkenntnisse unerlässlich. „Auf der Basis dieser Analyse einer weltweiten Datenbank regionaler Meeresspiegel-Rekonstruktionen können wir nun den Effekt in einer noch nie dagewesenen Robustheit aufzeigen“, sagt Rahmstorf. „Die neuen Meeresspiegeldaten bestätigen erneut, wie ungewöhnlich unser Zeitalter der globalen Erwärmung durch Treibhausgas-Emissionen ist. Und sie zeigen, dass der Meeresspiegelanstieg als eine der gefährlichsten Klimafolgen bereits in vollem Gang ist.“

Quelle: Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (idw)

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