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VW-Gesetz wurde zum Stolperstein für Wiedeking -- Interview mit Prof. Dr. Stefan Bratzel

Archivmeldung vom 24.07.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 24.07.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Der künftige integrierte VW-Konzern mit seinen zehn Marken ist auf dem besten Weg, zum größten Autohersteller der Welt zu werden. Nicht mit an Bord ist Wendelin Wiedeking. Das Ende der Ära des einstigen Vorzeigemanagers begann, als das neue VW-Gesetz die starke Stellung des Landes Niedersachsen bei VW zementierte. Wiedekings größter Fehler war, dass er sicher war, dass das VW-Gesetz kippen wird.

,Damit stürzte das Kartenhaus zusammen", sagt der Experte für Automobilwirtschaft, Prof. Dr. Stefan Bratzel, im Gespräch mit unserer Zeitung.

Passen VW und Porsche nur gut zusammen oder gehören beide auch historisch zusammen?

Prof. Dr. Stefan Bratzel: Die Unternehmen passen sehr gut zusammen und profitieren wechselseitig voneinander. In den vergangenen Jahren hat Porsche sehr stark von den Produktentwicklungen bei VW profitiert. Das ist schon ein Hauptgewinn, der dadurch noch verstärkt werden kann, dass Porsche in den VW-Konzern integriert wird. Das erhöht die Möglichkeit zu Produkt"synergien noch weiter. Natürlich muss in einem integrierten Konzern dafür gesorgt werden, dass Porsche genug Freiheiten und Unabhängigkeit behält, damit die Marke keinen Schaden nimmt.

Also analog zur Marke Audi? Bratzel: Richtig. Das Beispiel Audi zeigt, dass dies möglich ist.

Glauben Sie, dass Porsche nach einer Eingliederung in den VW-Konzern weiter einer der profitabelsten Autohersteller der Welt bleiben wird?

Bratzel: Ich denke schon, dass das möglich ist -- wenn auch nicht in der Größenordnung der vergangenen beiden Jahre, wo Porsche extrem hohe Renditen erzielte. Die Traumrendite des vergangenen Geschäftsjahres resultierte allerdings sehr stark aus den guten Finanzgeschäften des Unternehmens. Porsche kann aber auch in Zukunft hoch profitabel sein und gute Renditen erzielen, wenn dem Sportwagenhersteller eine große Unabhängigkeit gewährt wird.

Nach dem Einstieg Porsches im September 2005 stieg der Kurs der VW-Aktie von 44 auf dauerhaft deutlich über 200 Euro. Das bescherte Porsche in den Folgejahren höhere Gewinne als Umsätze. Nun ist diese ,,Bilanzblase" geplatzt. Kann Porsche in den kommenden Jahren nur noch dann viel Geld verdienen, wenn die Modellpalette ausgeweitet wird?

Bratzel: Weiteres Wachstum ist wichtig für Porsche. Der hohe Markenwert Porsches kann genutzt werden für weitere Modelle. Man muss innerhalb eines VW-Konzerns aber aufpassen, dass die Überschneidungen in der Produktpalette nicht zu groß sind und die Marke Porsche nicht überdehnt wird. Die zuletzt horrend hohen Renditen, als der Gewinn höher war als der Umsatz, wird man aber in naher Zukunft nicht mehr erreichen können.

Ist der im Vergleich zu Daimler oder BMW sehr hohe VW-Aktienkurs angesichts der großen Widerstandsfähigkeit gegen die Autokrise gerechtfertigt?

Bratzel: Grundsätzlich muss man sagen, dass VW in der weltweiten Absatzkrise eine hohe Widerstandsfähigkeit bewiesen hat. Zum Teil liegt das am Glück, zum Teil aber auch am Geschick des Managements. Glück deshalb, weil man noch nicht in den Märkten so aktiv ist, die am stärksten zusammengebrochen sind -- dazu zählt vor allem der US-Markt. Geschick, weil man sich langfristig an Wachstumsmärkte gebunden hat und dort einen hohen Marktanteil hat -- wie etwa in China. Der Aktienkurs ist jedoch sehr stark auch spekulativ angeheizt.

Wendelin Wiedeking hatte in einem Interview gesagt, dass die Übernahme von VW durch Porsche seine Idee gewesen und Ferdinand Piëch eingeweiht gewesen ist. Unterschätzte Wiedeking Piëchs Ego?

Bratzel: Ich bin sicher, dass Herr Piëch ebenso in die Pläne eingeweiht war wie Herr Porsche. Nach dem Motto ,,Ein Sieg hat viele Gesichter" hätte Wiedeking keine Probleme gehabt, wenn seine Pläne gut ausgegangen wären. Nun aber steht er als Manager da, der große Fehler gemacht hat. Dazu zählt, dass man sich bei Porsche in einigen Punkten verkalkuliert hat.

Unterschätzte der einstige Vorzeigemanager den Einfluss des Landes Niedersachsen und der IG Metall bei VW?

Bratzel: Auf jeden Fall. Es war ein großer Fehler Wiedekings, den Einfluss der IG Metall, der Betriebsräte von Volkswagen, des Landes Niedersachsen mit dem Aufsichtsratsmitglied Christian Wulff und auch die Auswirkung der unterschiedlichen Unternehmenskultur unterschätzt zu haben. Der größte Fehler aber war, dass man sicher war, dass das VW-Gesetz kippen wird. Als sich abzeichnete, dass das Gesetz vorerst Bestand haben wird und damit kein Porsche-Beherrschungsvertrag bei VW möglich ist, stürzte das Kartenhaus zusammen.

Hat Wiedeking mit zu offenen Karten gespielt, als er andeutete, über einen Beherrschungsvertrag in die prall gefüllte VW-Kasse greifen zu wollen, um so den Kauf der VW-Aktien zu refinanzieren?

Bratzel: Nein. Aber man kann Wiedeking vorwerfen, dass er grundsätzlich nicht mit offenen Karten gespielt hat. So kam am Ende das Gefühl auf, dass es sich um eine feindliche Übernahme handelt. Das hat letztlich das Klima zwischen Porsche und Volkswagen vergiftet.

Hat das VW-Gesetz auf Dauer eine Chance gegen den Widerstand der EU-Kommission?

Bratzel: Das muss man abwarten, denn es gibt bei den Experten in der Bundesregierung und in der EU-Kommission sehr unterschiedliche rechtliche Einschätzungen. Auf Dauer dürfte es aber schwierig sein, das VW-Gesetz zu halten.

Befürworten Sie den Einstieg Katars bei VW und Porsche?

Bratzel: Grundsätzlich ist es so, dass jeder Investor, jeder Stakeholder, der zu einem Unternehmen hinzukommt, gewisse Entscheidungs- und Verhandlungsprozesse verlangsamt. Sollte Katar rund 20 Prozent übernehmen, wäre der VW-Konzern zwar nicht mehr ausschließlich in europäischer Hand. Aber grundsätzlich kann man gegen arabische Investoren nichts einwenden, denn es handelt sich um langfristig denkende Investoren, mit denen vieles möglich ist.

Welche Motive stecken hinter einem Einstieg Katars?

Bratzel: Früher war klar: Arabische Investoren suchen langfristige Anlagen und wollen das angelegte Geld auch gut verzinst sehen. Doch meistens hielten sich die Investoren zurück und mischten sich nicht in strategische Fragen des Unternehmens ein. Doch in den vergangenen Jahren gab es einen Wandel. Die Araber setzen zunehmend auf neue Technologien und wollen vom Know- how profitieren, damit sie bis zum Ende des Erdöl-Zeitalters zukunftssichere wirtschaftliche Strukturen aufgebaut haben.

Das heißt, Katar hat wirklich ein langfristiges Interesse?

Bratzel: Ja. Das belegen aber auch schon andere Investoren etwa aus Kuwait und Abu Dhabi. Sie sind nicht am schnellen Geld interessiert, sondern an einer soliden, langfristigen Verzinsung ihres Kapitaleinsatzes.

Wie groß sind die Chancen, dass der VW-Konzern zum größten Autohersteller der Welt wird?

Bratzel: Wenn keine Fehler gemacht werden, sind die Chancen in der Tat recht gut. Es ist natürlich ein hehres Ziel, nicht nur einmal kurzfristig die Spitze zu erobern, sondern sich über mehrere Jahre als weltgrößter Hersteller zu behaupten. Doch der VW-Konzern hat die besten Voraussetzungen dazu -- wenn er weiter daran arbeitet, seine Prozesse zu verschlanken. Wenn er seine Flexibilität, die er erst in den vergangenen Jahren entwickelt hat, beibehält. Und wenn weiterhin eine gute strategische Planung angelegt wird, in der nach einem Baukastenprinzip die Entwicklungen der verschiedenen Marken vorangetrieben werden.

Meinen Sie mit Flexibilität auch die Modellpalette?

Allein die Marke Volkswagen will in den kommenden beiden Jahren mehr als 20 neue Modelle herausbringen. Bratzel: Sicher, das gehört dazu. Aber mit Flexibilität meine ich auch das Reagieren auf Probleme, die entstehen können. So kommt es in der derzeitigen Krise wesentlich darauf an, die Kosten schnell den neuen Gegebenheiten anzupassen. Flexibel muss man auch in der Produktion sein. Wer eine Vielzahl neuer Modelle herausbringen will, muss dies auch managen können -- sowohl von der produktionstechnischen Seite als auch von der Produktentwicklung her. Nur wer all diese Fähigkeiten beherrscht, kann die Spitzenposition erobern und behaupten.

Quelle: Landeszeitung Lüneburg (Das Interview führte Werner Kolbe)

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