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Juragent AG und ProzessGarant AG: Prozessfinanzierer auf und davon

Archivmeldung vom 29.10.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 29.10.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Finanznachrichtendienst GoMoPa.net
Bild: Finanznachrichtendienst GoMoPa.net

In Amerika ist die Prozess-Vorfinanzierung ein Erfolgsmodell, in Deutschland sind die bisherigen Versuche gescheitert. Die Finanzierer sind auf und davon - die Anleger verloren bei den pleite gegangenen Aktiengesellschaften Jurgagent und ProzessGarant insgesamt mehr als 80 Millionen Euro. Das Beispiel des Starnberger Rechtsanwalts Dr. Franz Reinhard Sußner gibt einen Einblick, warum.

Die Milliardenpleite der Philipp Holzmann AG 2002 in Frankfurt bekam auch Baurechtsanwalt Dr. Frank Reinhard Sußner aus Starnberg in Bayern bitter zu spüren. Sußner war alleiniger Geschäftsführer der Hochbau-Firma GAC GmbH in Erlangen und verantwortlich für die Projektgemeinschaft Leubnitzer Höhe Dresden GbR.

Holzmann sei sein persönlicher Untergang gewesen, soll Sußner seinen späteren Offenbarungseid kommentiert haben. Der Insolvenzverwalter der Holzmann AG brauchte fünf lange Jahre, um sich im Jahre 2007 außergerichtlich mit den Banken zu einigen. Die Holzmann-Aktien werden immer noch an der Börse gehandelt, allerdings mit 6 Cent das Stück.

Dr. Sußner wechselte das Fach und wurde Chefjurist beim Prozesskostenfinanzierer Juragent AG aus Berlin. Die 1998 in Leipzig gegründete Juragent wollte Prozesse ab einem Streitwert von einer halben Million Euro finanzieren und im Erfolgsfall 30 Prozent von der Summe kassieren.

Anfragen habe es zu Hauf gegeben, aber die Erlöse blieben weit hinter den prospektierten Werten zurück, wie die Juragent AG in ihrer Leistungsbilanz vom Juni 2006 einräumte. Es sei nicht gelungen, ausreichende Verfahren mit einem für einen bedeutsamen Rückfluss erforderlichen Volumen abzuschließen. Die Juragent AG ging schließlich im September 2011 mit ihren vier Prozesskostenfonds pleite, die sie zwischen 2002 und 2007 mit einem angeblichen Volumen von 80 Millionen Euro aufgelegt hatte.

Für einen Skandal hatte Juragent-Vorstand Mirko Heinen gesorgt, der laut Berliner Staatsanwaltschaft zwischen Februar 2007 und März 2008 rund 16 Millionen Euro für sich in die Schweiz abgezweigt haben soll.

Da war Dr. Franz Sußner längst nicht mehr an Bord. Sußner hatte im Jahre 2004 rechtzeitig das sinkende Schiff verlassen. Er spannte die besten ehemaligen Richter aus dem Gutachterbeirat der Juragent AG nun für sich ein und gründete seine eigene Prozess-Finanzierungs-Firma: die ProzessGarant AG zunächst in Leipzig, später zog er nach Hof bei München um. Das Eigenkapital der AG war mit 50.000 Euro im Handelsregister eingetragen.

Dr. Sußner wollte alles besser machen als die Juragent AG. Er packte nicht die Mammutprozesse an, sondern wollte lieber viele kleine Streitigkeiten des täglichen Lebens finanzieren. Denn 70 Prozent dieser Streitigkeiten würden laut Statistischem Bundesamt zugunsten des Klägers entschieden. Und bei einer Erfolgsquote von 70 Prozent sollten die ProzessGarant-Anleger mit einer jährlichen Rendite von mehr als 15 Prozent rechnen dürfen.

Der erste Prozesskostenfonds von Sußner, der von 2004 bis 2006 platziert wurde, sollte dem Juristen Recht geben. Der damalige ProzessGarant-Pressesprecher Michael Oehme zog im April 2008 eine beachtliche Bilanz:

"Die "Erste ProzessGarant GmbH & Co. Prozesskostenfonds KG" war 2004 in die Platzierung gegangen und zum Ende 2006 geschlossen worden. Aufgrund des schwierigen Marktumfeldes bei Prozesskostenfonds blieb das Ergebnis des erzielten Eigenkapitals unter dem ursprünglich geplanten Emissionsvolumen. Dennoch konnten mit dem eingeworbenen Anlegerkapital von 155 gutachterlich analysierten Finanzierungsanfragen immerhin 42 Verfahren mit einem Streitwert von knapp 12 Millionen Euro in die Finanzierung genommen werden."

Derzeit sind noch 27 Verfahren anhängig oder rechtshängig bei Gericht.

Aber es gab auch handfeste Schwierigkeiten und Rückschläge

Unternehmenssprecher Oehme führte dazu aus:

"Sieben Verfahren konnten verglichen oder gewonnen werden, drei dagegen wurden verloren. Insgesamt fünf Verfahren wurden aufgehoben oder angefochten.

"Es handelte sich hierbei um Verfahren, bei denen wir erst im Laufe des Verfahrens erkannt haben, dass die Parteien oder Anwälte falsche Angaben gemacht haben, die den Erfolg der Verfahren fraglich werden ließen", meint Dr. Franz Sußner, Leiter der Rechtsabteilung der ProzessGarant AG. Diese Verfahren verbucht der Vorstand der ProzessGarant AG Christian Sußner unter "Erfahrungswerte".

"Wir hätten anfänglich nicht gedacht, dass im Rahmen der Prozessfinanzierung mit allen Bandagen gekämpft wird und selbst Anwälte nicht vor bewusst falschen Aussagen zurück schrecken", erklärt er. "Wir haben jedoch unser Prüfungsverfahren entsprechend verfeinert und können derartige Vorkommnisse für die Zukunft weitestgehend ausschließen", erläutert hingegen Dr. Franz Sußner, dem die Prüfung möglicher Finanzierungen zusammen mit einem Team an pensionierten höheren Richtern unterliegt.

Dass Gedeih und Verderb beim Geschäft mit der Prozessfinanzierung vorrangig an der Managementqualität hängt, zeigen die nackten Zahlen: So gingen bei der ProzessGarant AG seit dem Jahre 2004 immerhin 679 Anfragen mit einem Streitwert von deutlich mehr als einer Milliarde Euro ein.

"Hiervon wurden immerhin 155 Verfahren näher analysiert und begutachtet, wohinter sich ein Streitwert von rund 55 Millionen Euro verbirgt. Aber auch die anderen Verfahren mussten zunächst gewissenhaft geprüft werden, denn wir nehmen jeden einzelnen Fall sehr ernst", erklärt der Rechtsexperte und erfahrene Gerichtsspezialist Dr. Franz Sußner. Im Ergebnis geht er davon aus, dass die noch offenen 27 Verfahren ein interessantes Ertragspotential für die klagenden Mandanten, aber auch für die Fondsgesellschaft und deren Anleger haben. Obwohl der Fonds geschlossen ist, werden immer noch weitere Verfahren in die Finanzierung genommen."

"Wir mussten unbedingt einen zweiten Fonds auflegen, wie hätten wir sonst die angefangenen Verfahren finanzieren sollen", erinnert sich die Leipziger Rechtsanwältin Kristin Salomon, die bis zum Juli 2009 juristischer Vorstand der ProzessGarant AG war, gegenüber dem Finanznachrichtendienst GoMoPa.net.

Allerdings hatte Finanztest im Oktober 2006 eindringlich vor dem Prozesskosten-Finanzierungsmodell als Fondsanlage gewarnt. Die Tester bemängelten, dass die Weichkosten mit 20 Prozent zu hoch ausfielen. Auch die Fondsexpertin Beatrix Boutonnet resümierte im Focus: "Was in Amerika Erfolg hat, muss nicht zwingend auch in Deutschland ein Renner werden. Auf einer Basis von 70 Prozent Erfolgsquote soll der Anleger eine Rendite von 13,5 Prozent bekommen. Dies klingt verlockend – doch wird derzeit nur jeder zweite Prozess in Deutschland gewonnen. Die Erfolgsannahme ist sehr optimistisch."

Dennoch brachte die ProzessGarant AG am 14. März 2007 den Prospekt für den zweiten Prozesskostenfonds heraus. Bei einem angepeilten Eigenkapitalvolumen von 10 Millionen Euro mit einer geplanten Laufzeit bis Ende 2012 fielen wieder die hohen Eigenkosten auf. Wegen des Offenbarungseides und auf Anraten des inzwischen verstorbenen Heinz Gerlach aus Oberursel (Herausgeber der Anlegerschutzauskunft) setzte Dr. Sußner diesmal nicht sich selbst an die Spitze der Fondsgesellschaft, sondern seinen Sohn Christian Sußner, der ebenfalls Rechtsanwalt ist.

Die ProzessGarant AG sollte die Prozesse auswählen und begleiten, der Fonds sollte das Ganze finanzieren. Für die ProzessGarant AG von Dr. Sußner war im Jahre 2007 eine Gewinnvorabausschüttung von 150.000 Euro und dann jedes weitere Jahr 250.000 Euro eingeplant. Dafür sollte von den Anlegergeldern eine Gewinnvorabreserve in Höhe von 1 Million Euro einbehalten werden. Unabhängig von den 5 Prozent Agio, die jeder Anleger gezahlt hatte.

Für Initialkosten des Fonds waren noch einmal mehr als 1 Million Euro eingeplant. Dazu sollten dem Fonds laufende Kosten von jährlich 94.500 Euro gezahlt werden, wofür eine Liquiditätsreserve aus dem Eigenkapital der Anleger in Höhe von 378.000 Euro einbehalten werden sollte. Für die Gerichts- und Anwaltskosten sowie Gutachterkosten hätten von den 10 Millionen Euro Eigenkapital nur 7,3 Millionen Euro zur Verfügung gestanden, also nur 73,23 Prozent, wie aus dem Fondsprospekt hervorgeht.

Ein damaliger Mitstreiter schätzte gegenüber GoMoPa.net, dass bis 2009 zwischen 3 und 5 Millionen Euro eingesammelt worden seien. In der konkreten Planung seien zehn zu finanzierende Prozesse gewesen. Doch nichts sei geschehen.

Was dazu der rechtswissenschaftliche Beirat sagt, lesen registrierte GoMoPa-Mitglieder hier.

Quelle: Goldman Morgenstern & Partners Llc (GoMoPa) / Siegfried Siewert

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