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Oliver Wyman- und J.D. Power-Analyse „Automobilkauf in der Krise“ - Service verzweifelt gesucht

Archivmeldung vom 21.07.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 21.07.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Corsa, Ka oder Clio: Wer die Wahl hat, hat die Qual. Die Autos der unterschiedlichen Marken werden sich immer ähnlicher, und Hersteller müssen sich stärker denn je im Wettbewerb behaupten. Angesichts des weltweiten Absatzeinbruchs ist das keine einfache Aufgabe. Noch lockt die Abwrackprämie Kunden und potenzielle Käufer in die Autohäuser. Doch der Ansturm verdeckt die strukturellen Probleme und den unzureichenden Service am Point of Sale.

Dies ist das Ergebnis der Analyse „Automobilkauf in der Krise“ der internationalen Strategieberatung Oliver Wyman und des Marktberatungsunternehmens J.D. Power and Associates. Die Analyse basiert auf einer Befragung von 1.500 Autokäufern zu ihrer Zufriedenheit mit dem Verkaufsprozess.
Seit Anfang des Jahres sorgt die Abwrackprämie vor allem bei Händlern, die das Kleinwagen- und Mittelklassesegment abdecken, für volle Verkaufsräume. Ende Mai 2009 hat die Bundesregierung den Fördertopf von 1,5 auf 5 Milliarden Euro aufgestockt. Ursprünglich auf 600.000 Anträge angelegt reicht der Etat nun für zwei Millionen Antragsteller. Noch haben die Händler deshalb alle Hände voll zu tun. Die staatliche Prämie von 2.500 Euro pro Fahrzeug lässt so manchen Kunden beim Autokauf großzügig über unfreundliche Verkäufer, inkompetente Beratung und mangelhaften Service hinwegsehen. Bei bis zu drei Viertel der mit der Abwrackprämie zugelassenen Fahrzeuge handelt es sich nach den Experten von Oliver Wyman und J.D. Power jedoch um Vorzieheffekte. Gerade bei Volumenmarken und im Segment der Kleinwagen ist im zweiten Halbjahr 2009 und im Gesamtjahr 2010 mit einer deutlich sinkenden Nachfrage zu rechnen. Der Kampf um den Kunden wird dann noch härter werden. Darauf müssen sich die Händler jetzt gezielt vorbereiten: „Nur wer seine Aktivitäten konsequent auf die Kundenbedürfnisse ausrichtet und die Kundenbetreuung vor allem auch nach der Kaufentscheidung deutlich verbessert, wird die konjunkturelle Talfahrt einigermaßen unbeschadet überstehen“, sagt Peter Bosch, Partner und Vertriebsexperte bei Oliver Wyman.

Zu wenig individuelle Beratung

Der Verkaufserfolg wird insbesondere durch mangelnde Aufmerksamkeit des Verkaufspersonals beeinträchtigt. Wenn ein Kunde ein Auto nicht kauft, liegt das neben dem Preis in erster Linie daran, dass die Verkäufer zu beschäftigt oder zu unaufmerksam sind. Jeder zehnte Kunde verlässt den Point of Sale ohne individuelle Beratung. „Dieser Wert ist in den letzten Monaten aufgrund der Abwrackprämie noch einmal deutlich gestiegen, da mehr Kunden in die Autohäuser kamen“, erläutert Tobias Schütz, Experte für Kundenservice und Automobilvertrieb bei J.D. Power. Händler müssen dringend daran arbeiten, dieses Problem bis zur Rückkehr in ein normales Marktumfeld zu lösen. Andernfalls ist der absehbare Absatzrückgang nach Auslaufen der Abwrackprämie kaum aufzufangen. „Die rein preisorientierten Kunden sind bald mit neuen Fahrzeugen versorgt. Die Käufer, die dann noch ins Autohaus kommen, sind anspruchsvollere Kunden. Diese erwarten vor allem umfassende und kompetente Beratung“, so Schütz.

Kleine Händler punkten vor allem beim Verkaufspersonal durch die persönliche Note. Bei mittelgroßen und großen Vertragshändlern hingegen schneidet das Verkaufspersonal weniger gut ab. Prozessgesteuerte Aspekte wie Verkaufsabwicklung und Auslieferung erzielen wiederum bei den eigenen Niederlassungen der Hersteller eine gute Bewertung. Insgesamt geben nur rund 21 Prozent der Kunden an, dass ihre Kaufentscheidung durch die bisherigen guten Erfahrungen mit dem Händler beeinflusst wurde. Für die meisten Kunden sind die Zuverlässigkeit des Fahrzeugs (56 Prozent) oder die Marke selbst (47 Prozent) ausschlaggebend bei der Entscheidung für ein Auto.

Durch Differenzierung Kunden gewinnen

Die Ergebnisse der Analyse zeigen auch, dass 38 Prozent der Kunden das Autohaus betreten, ohne auf eine bestimmte Marke festgelegt zu sein. „Hier eröffnet sich ein immenses Potenzial für den Gewinn von Marktanteilen durch erstklassige Verkaufsprozesse im Autohaus – erst recht, wenn der Markt nach dem Auslaufen der Abwrackprämie wieder enger wird“, sagt J.D. Power-Experte Schütz. Bei der Wahl des Händlers gibt es keine speziellen Auswahlkriterien. 20 Prozent der Kunden geben an, dass alle Händler mehr oder weniger gleich sind und es keinen bestimmten Grund für die eigene Auswahl gibt. „Die Händler müssen sich stärker von anderen Marken differenzieren, zum Beispiel durch Leistungspakete, die den verschiedenen Kundensegmenten angepasst sind“, so Schütz. „Nur über den Kunden können sie im steigenden Wettbewerb und Preisdruck bestehen.“

Die Kunden asiatischer Volumenmarken sind zufriedener mit dem Verkaufsprozess als diejenigen europäischer Volumenmarken. Hersteller wie Toyota oder Mazda verlagern ihren Fokus immer stärker auf die Retail-Ebene. Toyota zum Beispiel überträgt das „Toyota Production System“ aus dem Bereich Produktion mit der Einführung des „Toyota Retail System“ auch auf den Handel. „Mit solchen Maßnahmen greifen die Asiaten etablierte europäische Hersteller an“, so Oliver Wyman-Berater Bosch. „Den Europäern muss es schnell gelingen, die Qualität ihrer Fahrzeuge auch auf die Qualität der Verkaufsprozesse zu übertragen.“

Nach dem Kauf ist vor dem Kauf

Der Vertragsabschluss und die Fahrzeugübergabe beeinflussen zu mehr als 50 Prozent die Gesamtzufriedenheit der Käufer mit dem Verkaufsprozess. Die Kritik der Kunden trifft jedoch genau diese Bereiche: Die Angebotsbreite von Zahlungs- und Finanzierungsmöglichkeiten und die Erklärung der Fahrzeugfunktionalitäten während der Fahrzeugauslieferung werden schlecht bewertet. Um Kunden wirklich zufriedenzustellen, müssen Händler auch nach der Kaufentscheidung engagierte und kompetente Beratung leisten.

Sehr zufriedene Käufer sind zu 75 Prozent bereit, ihren Händler weiterzuempfehlen. Bei den weniger zufriedenen Kunden würden hingegen lediglich zwei Prozent Empfehlungen abgeben. Die Analyse zeigt, dass hohe Zufriedenheit im Verkauf einen positiven Beitrag zur Bindung an die Werkstatt leistet. Insgesamt 83 Prozent der sehr zufriedenen Kunden wollen ihr Fahrzeug auch in der Werkstatt des betreffenden Händlers reparieren lassen, bei den unzufriedenen Kunden beabsichtigen das nur noch 47 Prozent. „Dies belegt eindrucksvoll die Bedeutung eines guten Verkaufs für die Bindung der Kunden an die eigene Werkstatt – und dort macht der Händler Profit“, betont Bosch.

Kundenkontakt optimieren und umfassend neu strukturieren

Händler und Hersteller müssen sich jetzt auf das Ende des Abwrackbooms vorbereiten und schnell wirksame Maßnahmen zur Optimierung von Vertrieb und Service aufsetzen. Es gilt, den Zeitaufwand für administrative Aufgaben zu verringern, um Ressourcen für die ureigene Beratungsaufgabe des Verkäufers freizusetzen. Händler müssen die Aktivitäten des direkten Kundenkontakts systematisieren. Der prämienbedingte Aufschub des Absatzeinbruchs bietet die Chance, kurzfristig Qualifizierungs- und Schulungsprogramme zu entwickeln. Bereits im Herbst 2009 werden die Verkäufer im Handel nicht mehr ausgelastet sein. Um dann optimalen Service bieten zu können, müssen Servicemängel jetzt identifiziert und behoben werden.
Auf lange Sicht muss zudem eine grundlegende Neuausrichtung des Vertriebs stattfinden. Bereiche wie Produktion und Entwicklung von Fahrzeugen wurden in den vergangenen Jahren wesentlich stärker optimiert als der Vertrieb. Der Fokus darf nicht länger auf dem reinen Abverkauf der Fahrzeuge liegen. Jedem Kunden muss das optimale Leistungsangebot an einem spezifisch ausgestalteten Point of Sale geboten werden. „Die nachhaltige Kundenbindung über den gesamten Lebenszyklus des Automobils und damit die absolute Nähe zum Kunden ist das neue Ziel“, so Vertriebsexperte Bosch. „Denn der größte Erfolgsfaktor für Händler und Hersteller ist mehr denn je ein zufriedener Kunde.“

Sechs Handlungsempfehlungen für Hersteller und Händler

  1. Qualifizierungs- und Schulungsprogramme aufsetzen: Verkaufspersonal schon jetzt im Bereich Kundenkontaktaktivitäten schulen, um nach dem Ende der Abwrackprämie durch perfekte Beratungsleistung zu überzeugen.
  2. Vertriebsprozesse optimieren: Administrative Vorgänge vereinfachen und besser strukturieren, um mehr Zeit für den direkten Kundenkontakt und die individuelle Beratung zu gewinnen.
  3. Lager leeren: Nicht mit vollen Lagern in den Absatzeinbruch gehen, sondern Produktionsvolumen anpassen, um Rabattschlachten zu vermeiden.
  4. Neue Angebotspakete entwickeln: Den „One Size Fits All”-Ansatz verwerfen und das Leistungsangebot durch variable Service- und Finanzierungspakete erweitern, um individuellen Kundenservice zu ermöglichen.
  5. Weitere Geschäftsbereiche integrieren: Das ertragreiche Teile-, Financial-Services- und Gebrauchtwagengeschäft in Serviceangebote integrieren, um die Kundenbindung über den gesamten Lebenszyklus zu sichern.
  6. Vertriebssystem neu strukturieren: Alle Vertriebsbereiche auf eine segmentspezifische Produkt- und Kundenstruktur ausrichten sowie Systemstrukturen vereinfachen, um dem Trend der Zukunft, dem absoluten Kundenfokus, Rechnung zu tragen.

Die Analyse „Automobilkauf in der Krise“

Die Strategieberatung Oliver Wyman und das Marktberatungsunternehmen J.D. Power and Associates haben in der aktuellen Analyse „Automobilkauf in der Krise“ gemeinsam die Zufriedenheit der Käufer mit dem Automobilvertrieb analysiert. Die Analyse basiert auf der von J.D. Power durchgeführten Studie „Germany Automotive Shopper Study 2008“. Im Herbst 2008 wurden 1.500 Käufer eines neuen Autos in Deutschland befragt. Die Studie betrachtet detailliert die Entscheidungskriterien beim Kauf, die Zufriedenheit der Kunden sowie ihr Verhalten im Verkaufsprozess.

Quelle: Oliver Wyman

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