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Insolvenzfall Reuss deckt Systemfehler auf

Archivmeldung vom 17.01.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 17.01.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Thorben Wengert / pixelio.de
Bild: Thorben Wengert / pixelio.de

Der aktuelle Fall des insolventen Insolvenzverwalters Bernd Reuss, aus Friedberg bei Frankfurt am Main, löst bei allen Beteiligten Hohn und Spott aus. Wie kann es angehen, dass ein Insolvenzverwalter selbst Insolvenz anmelden muss? Die Gläubigerschutzvereinigung Deutschland e. V. (GSV) mahnt in diesem Zusammenhang dringend erforderliche Anpassungen der Insolvenzordnung an, sonst drohen weitere Pleiten in der verwaltenden Zunft und infolgedessen mehr Gläubiger ohne Quote.

Mit der aktuellen Insolvenz der Kanzlei Reuss, in der neben der Privatperson Bernd Reuss auch sein Firmenkonglomerat mit insgesamt sieben Gesellschaften involviert ist, wird der Wirtschaft ein neuer spektakulärer Fall beschert. Reuss war in der Vergangenheit durch hohe Honorarforderungen, z. B. bei der Betreuung der Teldafax-Insolvenz, aufgefallen. Umso weniger verständlich ist für viele seine eigene Insolvenzanmeldung - galt Reuss doch als Gutverdiener in der Branche. Nun ist er selbst an der Reihe, und Schadenfreude überwiegt in vielen Kommentaren.

Prof. Dr. Hans Haarmeyer, Vorstandsvorsitzender des GSV und einer der führenden Insolvenzrechtsexperten Deutschlands, sagt dazu: "Die Wenigsten sehen die wirkliche Problematik, die hinter diesem Fall steckt: Denn obwohl bereits seit Monaten öffentlich über seltsame Entwicklungen in der Kanzlei berichtet wird und sich der Großteil der Belegschaft bereits vom sinkenden Schiff machte, ließ das Amtsgericht den Verwalter ohne eine Sonderprüfung weiter gewähren. Letztendlich zeigt dieser Fall das völlige Versagen gerichtlicher Aufsicht und das Fehlen einer risikoorientierten Kontrolle."

Kaum nachvollziehbar, dass in Not geratene Verwalter offensichtlich weiterhin mandatiert werden, obwohl deren zwingend notwendige Unabhängigkeit zu diesem Zeitpunkt längst ad absurdum geführt ist. Der GSV fordert deshalb, dass Insolvenzverwalter hinsichtlich ihrer Vermögensverhältnisse offenbarungspflichtig sein müssen und zumindest jährlich eine Schufa-Selbstauskunft sowie einen Bonitätsausweis zu erbringen haben. "Verwalter sollten schon vor ihrer Aufnahme in eine Vorauswahlliste offen legen, wem gegenüber sie finanziell verpflichtet sind und in welchem Umfang, bevor man ihnen Zugang zur Verwaltung fremden Vermögens gewährt. Alles andere ist doch unverantwortlich!", so Haarmeyer.

Wer z. B. selbst Banken verpflichtet ist, wird gegenüber solchen Instituten im Insolvenzverfahren anders agieren als ein finanziell unabhängiger Verwalter. Gleichzeitig ist der Gesetzgeber gefordert, ein Verbot für Insolvenzverwalter zu normieren, nach dem es strikt untersagt ist, Aufträge innerhalb eines Verfahrens an beteiligte Unternehmen zu vergeben. Immerhin ist der Insolvenzverwalter der (Vermögens-)Treuhänder der am jeweiligen Insolvenzverfahren beteiligten Gläubiger. Seine wesentliche und gesetzlich vorgesehene Aufgabe ist es, die vom Gericht beauftragte Sicherung des Unternehmensvermögens zum Zwecke der bestmöglichen Quote durchzuführen.

Der Fall Reuss zeigt zudem nicht nur, dass das insolvenzrechtliche System bei Auswahl und Kontrolle versagt, sondern auch, dass bei der Vergütungsfestsetzung eklatante systembedingte Schwächen vorhanden sind. Es ist nachweisbar, dass die geltende Vergütungsordnung eine völlige Überhöhung der Ansprüche ebenso zulässt, wie sie die kostendeckende Abwicklung geringvolumiger Verfahren nicht ermöglicht. Daher sehen Insider im Fall Reuss nur die Spitze des Eisberges. Weitere Großkanzleien könnten folgen, weil deren Apparat sich nicht mehr durch die anstehenden Verfahren bezahlen lässt.

Haarmeyer, seit Jahren Kritiker dieser Vergütungsregelung, kommentiert: "Wenn jede noch so irrwitzige Vergütung mit der dahinter stehenden Vergütungsordnung begründet werden kann, dann zeigt dies schlaglichtartig die Notwendigkeit klarer und transparenter Regelungen, die auch von den Richtern und Rechtspflegern in Deutschland schon lange verlangt wird."

Der GSV fordert die Politik auf, im Interesse der betroffenen Gläubiger, aber auch im öffentlichen Interesse zügig tätig zu werden und die Insolvenzordnung zu korrigieren. Unterstützend hat der GSV unter einem Gütesiegel Kriterien für die Auswahl von Insolvenzverwaltern erstellt, die - wenn sie erfüllt und fortlaufend kontrolliert werden - helfen, das Missbrauchsrisiko zu minimieren und Unabhängigkeit, Integrität und Qualität zu sichern.

Quelle: Gläubigerschutzvereinigung Deutschland e. V. (GSV)

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